Mit dem Neufert-Haus am Aufgang zur Mathildenhöhe gibt es auch in Darmstadt exzellente Bauhaus-Architektur. In unmittelbarer Nähe zum Zentrum des Jugendstil fügt sich das Gebäude unaufgeregt ins Stadtbild ein.

Fast jeder war schon mal da, in dem Gasthaus „Glasschrank“, heutzutage ein nobles Steakhaus. Viele haben auch schon im Innenhof das Auto abgestellt. Kaum einer hat das Hinweisschild am Gebäude gesehen. Noch weniger findet das Gebäude selbst Beachtung. Fügt es sich doch dominant aber unaufgeregt in die umgebende Architektur ein. Dabei hat das Gebäude alle charakteristischen und prägenden Merkmale der Bauhaus-Architektur: Mehrere, aneinander gruppierte, quaderförmige Baukörper, Flachdach, vorgehängte, vertikale Fensterbänder über mehrere Etagen an den Treppenaufgängen und durchgängig regelmäßig angeordnete Balkone. Es ist eine klare, ausgewogene Formensprache. Trotz der Größe drängt sich das Haus nicht auf. Die Klinkerfassade trägt dazu entscheidend bei. Links vorbei geht es zum Zentrum des Darmstädter Jugendstils, den Gebäuden auf der Mathildenhöhe. Vielleicht ist es die Erwartung an die goldenen Kuppeln der russischen Kapelle und das Ensemble mit der erhabenen Ausstellungshalle und dem Hochzeitsturm, die uns dieses Gebäude aus dem Blick zu rücken scheint.

Der Bauhausschüler Ernst Neufert wurde nach Kriegsende an der Technischen Hochschule Darmstadt zum Professor für Baukunst berufen. Er gehörte zu den zwölf von der Stadt Darmstadt ausgewählten namhaften Architekten, die sich an dem 1951 ausgeschriebenen Wettbewerb für neue öffentliche Gebäude in der durch den Krieg stark zerstörten Stadt beteiligen durften. Seine Planung für ein Ledigenwohnheim war einer von nur fünf Siegerentwürfen, die mit dem knappen Nachkriegsbudget realisiert wurden. So entstand bis 1955 der Klinkerbau mit 156 Wohnungen, davon 131 Einraumwohnungen mit etwa 20 Quadratmetern inklusive Küche und Bad. Anfangs wurden die Miniwohnungen vor allem an junge, ledige Männer vermietet. Im Volksmund hatte der Bau daher schnell den Spitznamen „Bullenburg“ weg.
Im Jahre 2003 erfolgte eine grundlegende Sanierung. Zeitgemäß wurden jeweils drei Apartments zu einer über zwei Ebenen reichenden Maisonettewohnung zusammengefasst. Zusätzlich entstanden drei Luxus-Penthouse-Wohnungen im bisherigen Dachgeschoß. Die Gebäudetechnik wurde erneuert. Das Haus erhielt einen Aufzug. Sechs der Einzimmerwohnungen wurden im ursprünglichen Zustand behalten, um das damalige Wohnkonzept lebendig zu erhalten. Das äußere Erscheinungsbild des Gebäudes blieb über die Zeit unverändert.
Das Ernst-Neufert-Haus gehört zu den fünf realisierten Darmstädter Meisterbauten. Nach den schweren Zerstörungen im zweiten Weltkrieg wurden im Ergebnis der sogenannten Darmstädter Gespräche elf Planungsaufträge für neue Meisterhäuser verg-ben und 1951 in einer Ausstellung auf der Mathildenhöhe gezeigt. Im Rahmen der finanziellen Mittel der Stadt konnten fünf der Entwürfe realisiert werden. Der Darmstädter Architekt und Bauhaus-Schüler Ernst Neufert erhielt den Auftrag und errichtete 1955 ein Apartmenthaus im Bauhaus-Stil.
Literatur:
/1/ https://de.wikipedia.org/wiki/Darmstädter_Meisterbauten
/2/ https://de.wikipedia.org/wiki/Ernst_Neufert
/3/ https://en.wikipedia.org/wiki/Ernst-Neufert-Haus
/4/ http://www.baunetz.de/meldungen/Meldungen_Ausstellung_und_Buch_zum_Neufert-Bau_in_Darmstadt_13923.html
/5/ http://www.dein-rhein-main.de/staedte/darmstadt/themen/tourismus/sehenswuerdigkeiten/beruehmte-bauwerke/darmstaedter-meisterbauten.html, abgerufen am 10.10.2016
/6/ http://www.darmstadt-stadtlexikon.de/m/meisterbauten/, abgerufen am 10.10.2016
Das Gebäude steht in Darmstadt, Pützerstr. 6
Text als PDF downloaden: D01_Darmstadt_Neufert_Haus_K4-2016