Geschwungene Fassade, filigrane Balkons und sehenswerte Ornamente, das Haus Finkeissen strahlt wie eine große Theaterkulisse auf einem kleinen Platz in Darmstadt und bildet den eleganten Rahmen für das Restaurant „Wilhelminenhof“.
Die Bauten aus den 1950er Jahren führten lange ein Schattendasein. Die meisten Gebäude galten als konventionell, nicht spektakulär und meist als schlicht und einfach. Dabei entwickelte sich in der sogenannten Nachkriegsmoderne in Deutschland eine sehr eigene Formensprache, die sowohl vorsichtig die Tendenzen der Bauhaus-Tradition wieder aufgriff als auch traditionelle Stilelemente einbezog. Natürlich waren die Mittel knapp und Baumaterialien nach wie vor nur begrenzt verfügbar. Aber das setzte der Kreativität keine Grenzen. Die Stadt Darmstadt war dabei etwas Besonderes. Mit dem Wettbewerb um die Darmstädter Meisterbauten von 1951 entstanden einige hochgelobte Gebäude, die in der Tradition funktionaler Architektur Maßstäbe setzten (siehe /4/).

Auch mit weniger spektakulären Bauten wollten die Architekten nicht nachstehen. Dringend war der Wohnungsbau, da Darmstadt durch die Kriegszerstörungen besonders betroffen war.
Eine schmalwinkelige Straßenkreuzung an der Wilhelminenstraße bot sich für eine Wohnbebauung an. Der Architekt und Bauherr Ludwig Finkeissen plante 1955 ein mehrstöckiges Wohnhaus mit einer Schmuckfassade nach Süden zu dem durch die kreuzenden Straßen gebildeten freien Platz. Ein Kopfhaus mit fünf Etagen und Pultdach bildet den südlichen Abschluss der Bebauung an den beiden zusammenlaufenden Straßen. Die Fassade ist konkav geschwungen und schlicht gegliedert. An den Ecken und in der Gebäudemitte sind filigrane Balkons angesetzt, die insbesondere durch die Überdachung an den Ecken um das Gebäude einen Rahmen bilden.

Die mit nur wenigen Zentimetern extrem dünnen Betonplatten der Balkons und des Pultdaches geben dem Gebäude eine beeindruckende Leichtigkeit. Unter den Fenstern und direkt unterhalb des überkragenden Daches finden sich Zierelemente. Es sind Sgraffiti-Arbeiten des Künstlers Ernst Vogel. Die geometrischen Motive, die zurückhaltende Farbigkeit und die regelmäßige Anordnung fügen sich harmonisch in die nahezu weiße Fassade des Gebäudes ein und verschmelzen mit der Architektur zu einem kulissenhaften Gesamtkunstwerk.

Die untere Etage mit einem hervorkragenden Dach ist großflächig verglast und hebt dadurch das Gebäude optisch an. Der Bau wirkt dadurch wie der Rahmen für die davorliegende Freifläche, die vom Restaurant „Wilhelminenhof“ genutzt wird.
Über den Architekten und Bauingenieur Ludwig Finkeissen (1908-1983) lassen sich nur wenige Informationen finden. Er hat in Darmstadt studiert. Sein Schwerpunkt lag im Ingenieurbau, in der Planung von Brückenbauten und auch beim Bau von Hallenbädern.
Der Künstler Erich Vogel (1894-1970) war ein deutscher Maler. In Darmstadt hat er zahlreiche Fassadendekorationen geschaffen.
Literatur:
/1/ https://de.wikipedia.org/wiki/Haus_Finkeissen
/2/ https://www.p-stadtkultur.de/ernst-vogel-sgraffito-am-haus-finkeisen-1955/
/3/ https://dewiki.de/Lexikon/Haus_Finkeissen
/4/ https://cubenuovo.com/2017/04/28/bauhaus-in-darmstadt-meinst-du-den-gleichnamigen-baumarkt
Die Webseiten wurden am 18.01.2022 abgerufen.
Das Gebäude steht in der Wilhelminenstraße 50 in Darmstadt.
Download der Printversion: 163_Haus_Finkeisen_K82-2022
Vielen Dank für deine Nahaufnahmen. Beim Vorüberfahren meinte ich aus den Verzierungen handwerkliche Elemente zu erkennen, was sich in der Nähe anders darstellt. Irritierend empfinde ich den obersten Betonschutzdeckel an den beiden äußeren Balkonen.
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Danke für den Kommentar. Ja, die Sgrafitti-Verzierungen unter den Fenstern sind aufwendige Handwerksarbeit. Die werden mit der Hand aus dem mehrlagigen noch nicht abgebundenen Putz herausgearbeitet. Und bei den Beton-Dächern über den Eckbalkons kommt es auf den Blickwinkel an. Ich finde, dass diese „Ohren“ dem Haus erst richtig den Chrakter geben.
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