Im Schatten des Bauhauses entwickelte der Architekt Thilo Schoder im aufstrebenden thüringischen Gera zahlreiche Wohnbauten, die eine zukunftsweisende Formensprache des Neuen Bauens etablieren konnten.
Als 1916 der Innenarchitekt Thilo Schoder nach Gera ging, um für die Firma Golde als künstlerischer Berater zu arbeiten, ahnte noch niemand, dass er sich zu einem der einflussreichsten Architekten des Neuen Bauens in Thüringen entwickeln sollte. Mitte der 1920er Jahre griff er die Anregungen des Werkbundes und des Bauhauses auf und fand Gefallen an den neuen Ideen und einfachen Prinzipien der Gestaltung. In der ostthüringischen Großstadt Gera gab es eine aufgeschlossene Mittelschicht, die ihm die Umsetzung seiner Ideen ermöglichte. Die Häuser, die aussehen, als wenn sie in der heutigen Zeit, also fast 100 Jahre später, entstanden sein könnten, waren damals richtungsweisend.

In der Zeit nach dem ersten Weltkrieg errichtete Thilo Schoder in Gera mehrere große, moderne Industriegebäude. 1926 wurde er von dem Großindustriellen Wilhelm Ernst Meyer mit dem Bau eines repräsentativen Einfamilienhauses beauftragt. Hier setzte er noch auf sichtbares Ziegelmauerwerk. Die Gebäudestruktur lässt schon die von Walter Gropius im Bauhaus propagierte Grundform ineinandergeschobener Würfel erkennen. Der Übergang zum Flachdach ist auch vollzogen. Das Haus wurde mehrfach umgebaut und zuletzt als Medienhaus vom Mitteldeutschen Rundfunk genutzt. Heute steht es leer.
Der große Durchbruch im Wohnungsbau gelingt Thilo Schoder 1927 mit der Reihenhaus-Siedlung im thüringischen Hermsdorf /6/. In der Folgezeit entstehen Einfamilienhäuser, die nahtlos in unsere heutige Zeit passen würden.


Für die zwei befreundete Oberlehrer Kratzsch und Schuhmann baut er in eine Hanglage oberhalb des Elstertales zwei identische Gebäude, die in ihrer Einfachheit ihresgleichen suchen, würfelförmig mit einem vorgeschobenen Kubus und Dachterrasse. Die beiden Häuser mit ursprünglich weißem Außenputz haben die Zeit gut überstanden. Das Haus mit der Nummer 30 wurde gerade originalgetreu restauriert. Beide Gebäude werden bis heute als Wohnhäuser genutzt.

Wie ein Neubau überstrahlt das Haus Sparmberg die Szenerie. Auch dieses Gebäude stammt aus dem Jahr 1930. Die Ornamentik ist rein auf die Form reduziert. Die Schlichtheit des Baus ist für die Zeit einzigartig und zeichnet den gemäßigten Stil des Architekten Thilo Schoder aus. Es wurde sein letzter realisierter Bau in Gera, bevor er nach Norwegen umsiedelte.
Der Architekt Thilo Schoder (1888-1979) gilt als einer der einflussreichsten Architekten des Neuen Bauens in Thüringen. Als Schüler von Henry van de Velde in Weimar wurde er Innenarchitekt. Seit 1916 etablierte er sich in Gera mit zahlreichen Industrie- und Wohngebäuden. Der Bau der Privatklinik Schäfer in Gera gilt als eines seiner Meisterwerke. 1932 wanderte er nach Norwegen aus und ließ sich in Kristiansand nieder, wo er weiter erfolgreich tätig war.
Literatur:
/1/ https://de.wikipedia.org/wiki/Thilo_Schoder
/2/ Ulrike Lorenz. Thilo Schoder, Ein Architekt im Spannungsfeld der Moderne, Glaux Verlag, Jena, 2001
/3/ https://www.bauhandwerk.de/artikel/bhw_Sanierung_von_Haus_Sparmberg_in_Gera-2741552.html
/4/ https://www.neues-gera.de/kultur/geraer-erhalten-thueringer-denkmalschutzpreis-2021-561.php
/5/ http://www.architekten-portrait.de/thilo_schoder/
/6/ https://cubenuovo.com/2019/11/30/nur-auf-der-rueckseite-laesst-sich-die-urspruengliche-architektur-noch-erahnen/
Die Webseiten wurden am 25.01.2023 abgerufen.
Die Gebäude stehen in Gera, Julius-Sturm-Str. 6, Walter-Erdmann-Str. 28/30 und Franz-Petrich-Str. 30.
Download der Printversion: 181_Wohnhaeuser_Gera_K91-2023