Kuriose Bauten für die Wissenschaft gibt es in Berlin viele. Einige stehen auf der Denkmal-Liste ganz oben. Jedoch beim „Mäusebunker“, dem ehemaligen zentralen Tierlabor der Freien Universität Berlin (FU), gibt es ernsthafte Diskussionen.

Es sieht aus wie die Mischung aus einem gestrandeten Kreuzfahrtschiff und einem eingemauerten U-Boot. Man könnte meinen, in Berlin wurde nicht nur an einem Flughafen ewig gebaut, auch mit einem Seehafen haben die es versucht. Als der nach 30 Jahren Bauzeit immer noch nicht fertig wurde, hat man ihn einfach zugeschüttet und vergessen, vorher die Schiffe rauszufahren.

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Der monströse, an ein Schiff erinnernde Bau fasziniert auch heute noch Architekturfreunde aus aller Welt.

So war es natürlich nicht. Schuld war die deutsche Teilung. 1961 wurde in Berlin die Mauer gebaut und Berlins berühmte Forschungsstätte für die Lebenswissenschaften, die Charité, das Unikrankenhaus der Humboldt-Universität, lag plötzlich abgeschnitten im Osten. Die bereits 1948 gegründete Freie Universität in Westberlin wurde weiter ausgebaut. Es entstand der Plan für ein zentrales Tierlabor.

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Heute fristet das seit 2020 leer stehende Gebäude ein Schattendasein. Erste Spuren von Vandalismus werden sichtbar.

Nach jahrelangen Diskussionen und Planungen war 1971 endlich Baubeginn. Der Entwurf des Gebäudes stammt von Gerd und Magdalena Hänska unter Mitarbeit von Kurt Schmersow.  Problemlos ging es auch bei diesem Bau nicht voran. Wegen Kostenüberschreitung gab es einen Baustopp von 1975 bis 1978. Erst nach zehn Jahren Bauzeit war das monströse Gebäude fertig. 

Der Bau hat eine langgestreckte Pyramidenform und ist in Sichtbeton ausgeführt. Die an den langen Seiten hervorstehenden Dreiecksfenster und die weit herausragenden, blauen Lüftungsrohre geben dem Komplex seine charakteristische und unverwechselbare Form. Das Gebäude gilt als ein Meisterwerk des Baustils des „Brutalismus“, des Bauens mit rohem Beton. Brutalismus geht zurück auf den französischen Begriff „brut“ für roh oder unbearbeitet, nicht auf die deutsche Bedeutung von „brutal“.

Das Institut und das Gebäude waren von Anfang an umstritten. Die Tierversuchsgegner lehnten es rundherum ab. Die Ausführung in rohem Beton fand keinen Anklang und auch die wie Geschützrohre herausragenden Lüftungen im Zusammenhang mit dem bunkerartigen Erscheinungsbild erinnerten viele Berliner an die im zweiten Weltkrieg verbreiteten Flak-Hochbunker.

Technisch war das Gebäude zeitgemäß. Über jeder Arbeitsebene mit kleinteilig separierten Labors und Tierställen gab es eine Etage mit der aufwendigen Lüftungstechnik.

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Die dreieckigen Fenster und die herausragenden Lüftungsrohre erinnern eher an ein bewaffnetes Kreigsschiff.

Bis 2020 wurde der Bau als Zentrum für Tierversuche und für die Aufzucht von Versuchstieren von der FU Berlin und später auch von den mit der Charité zusammengelegten Institute genutzt.. Als nach vierzig Jahren Betrieb die Renovierung zu teuer wurde, baute man neu. Heute steht der Bau leer und man streitet sich über Abriss oder Umnutzung.

Die Freie Universität Berlin wurde 1948 mit Unterstützung der westlichen Alliierten gegründet. Sie wuchs zu einer der größten Universitäten Deutschlands heran. Anfang der neunziger Jahre hatte die FU über 60 000 Studierende.  2003 wurden die medizinischen Fakultäten der FU mit denen der Humboldt-Universität zusammengelegt und als gemeinsame Medizinische Fakultät Charité geführt.

Literatur:
/1/ https://de.wikipedia.org/wiki/Forschungseinrichtung_für_experimentelle_Medizin
/2/ http://mäusebunker.de/
/3/ https://de.wikipedia.org/wiki/Freie_Universität_Berlin
/4/ https://de.wikipedia.org/wiki/Brutalismus
Die Webseiten wurden am 19.12.2022  abgerufen.

Das Gebäude steht in Berlin-Lichterfelde, Hindenburgdamm 26.

Download der Printversion: 179_Maeusebunker-Berlin_K90-2022