Nach dieser Maßgabe stellten die Architekten Bruno, Fioretti, Marquez die Gebäudehülle der im Krieg zerstörten Meisterhäuser in Dessau wieder her. Konzentriert nur auf die äußere Form machen sie die Kubatur der Gebäude neu erlebbar.

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Dessau: Wie übergroße Skulpturen wirken die beiden Monolithen. Nur die äußere Form der Gebäude wurde in den Neubau übernommen. Die Milchglasscheiben in den Fensteröffnungen verstärken den unwirklichen, fast geisterhaften Eindruck .

Nach dem Umzug des Bauhauses von Weimar nach Dessau entstand 1925 nicht nur das weltberühmte Bauhausgebäude. Auf Veranlassung der Stadt Dessau baute Walter Gropius die „Dessauer Meisterhäuser“: Drei Atelier-Doppelhäuser für die Bauhausmeister und für sich selbst die Direktorenvilla. Mit den ersten Nutzern László Moholy-Nagy, Lyonel Feininger, Georg Muche, Oskar Schlemmer, Wassily Kandinsky und Paul Klee wurde das Ensemble 25 Jahre nach der Darmstädter Mathildenhöhe Deutschlands bekannteste Künstlerkolonie. Doch diese Zeit währte nicht lange. 1932 wurde das Bauhaus in Dessau wieder geschlossen.

Für die Meisterhäuser begann danach eine wechselvolle Geschichte. Während der NS-Zeit bewohnten Direktoren der Junkers-Werke die Gebäude. Während des Krieges wurden das Direktorenhaus und die erste der Doppelhaushälften durch einen Bombentreffer zerstört. Auf das noch intakte Fundament der Direktorenvilla wurde dann zu allem Überdruss ein kleines Spitzdach-Einfamilienhaus gestellt.

Es musste fast siebzig Jahre dauern, bis die Siedlung zu altem Glanz zurückfinden konnte. Während die noch intakten Gebäude bereits seit 1993 denkmalgerecht saniert wurden, sind die beiden Fehlstellen erst 2014 ins Ensemble zurückgekehrt.

 

Kann man die wechselvolle Geschichte sichtbar machen? Lange wurde diskutiert, ehe der Auftrag für das Konzept des Berliner Architekturbüros Bruno Fioretti Marquez erteilt wurde. Die Architekten nannten es „Konzept der Unschärfe“.  Sie stellten nur die äußere Form der Gebäude wieder her. Die Fensteröffnungen erhielten vollflächige, translucente Glasscheiben. Es entstanden nüchterne Bauskulpturen, die klar eine Veränderung signalisieren. Auf den ersten, „unscharfen“ Blick ist die Siedlung wieder komplett. Beim genaueren Hinsehen wird es anders. Das Bild verschwimmt. Es ist nur noch die äußere Geometrie der Gebäude, die erkennbar bleibt. Das Innere bleibt verborgen.

 

Natürlich kann man hineingehen. Die kleinteiligen Wohnräume sind verschwunden. Es erschließt sich eine Struktur von über mehrere Etagen reichenden Räumen, Galerien und Emporen. Zusammen mit dem meist rohen Beton entsteht auch im Inneren ein kühle, verstörende Atmosphäre. Dadurch wird schmerzlich und auch nur sehr langsam der lange, wechselvolle Weg der Ideen des Bauhauses nachvollziehbar.

Piero Bruno, Donatella Fioretti und José Gutierrez Marquez betreiben ihr Architekturbüro in Berlin und Lugano. Mit dem Konzept „Architektur der Unschärfe“, das sie an den Dessauer Meisterhäusern verwirklichten, wurden sie international bekannt. Das Projekt wurde 2015 mit dem Deutschen Architekturpreis ausgezeichnet.

Literatur:
/1/ https://de.wikipedia.org/wiki/Raum_(Architektur) , https://de.wikipedia.org/wiki/Architektur
/2/ http://www.bauhaus-dessau.de/de/architektur/bauhausbauten/meisterhaeuser.html
/3/ http://www.meisterhaeuser.de/de/Haus_Walter_Gropius.html
/4/ http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/bauhaus-neue-meisterhaeuser-in-dessau-a-969782.html
/5/ http://www.tagesspiegel.de/kultur/bauhaus-meisterhaeuser-in-dessau-wiederaufgebaut-weisse-pracht/9900210.html
/6/ http://bfm.berlin/
/7/ Stiftung Bauhaus Dessau (Hrsg.), Die reparierte Siedlung, Neue Meisterhäuser für Dessau, Dessau 2014
Die Webseiten wurden am 31.10.2017 abgerufen.

Die Gebäude stehen in Dessau-Roßlau in der Ebertallee 59–71.