Plötzlich bekommt das Nationalstadion in Beijing wieder eine internationale Bühne. Auch das Schwimmzentrum wird zeitweilig zum „Icecube“. Und irgendwie hängt das alles zusammen mit Basel, mit München und auch mit Gerhard Richter.

Für mich begann die Sache ganz harmlos. Ich saß im ICE nach Basel, um an der Einweihung des von Herzog und de Meuron gestalteten Schaulagers für das Vitra-Design-Museum in Weil am Rhein teilzunehmen. Danach wollte ich mir auch noch die neu erworbenen Gerhard Richter-Bilder im Kunstmuseum in Basel anschauen, nichts ahnend, dass diese Dinge irgendwie zusammenhängen könnten.

Ich hatte im Jahr 2012 im Flieger nach Asien einen Film über die beiden Baseler
Architekten Jacques Herzog und Pierre de Meuron gesehen/2/. Für die Olympischen Spiele in Beijing 2008 gestalteten  Herzog und de Meuron zusammen mit dem chinesischen Künstler Ai WeiWei das Nationalstadion im Olympia-Park. Es sollte ein spektakulärer Bau werden, der die asiatische Tradition mit der modernen westlichen Kultur verbindet und als neues Wahrzeichen in Peking entstehen sollte. Herzog und de Meuron hatten gerade vorher die Allianz-Arena in München fertiggestellt, waren also für repräsentative Stadionbauten prädestiniert. In Weil am Rhein saßen die Architekten nun plötzlich in einer Podiumsdiskussion vor mir. Herzog und de Meuron sprachen über das gerade fertiggestellte Schaulager für Vitra. Ein fenster- und schmuckloser Ziegelbau mit Satteldach. Etwas unspektakuläreres kann man sich kaum vorstellen. Sie feierten die Zurückhaltung als das neue Architekturmodell. Von Beijing war da keine Rede mehr. Das Stadion stand meist leer. Von einem Umbau zum Einkaufszentrum war die Rede.

201211157426-15
Das Flechtwerk aus Stahlträgern gibt dem Stadion ein unverwechselbares Äußeres. Für die Olympischen Winterspiele wurde die Stadionfläche mit einem Fußballfeld-großen LED-Fernsehbildschirm ausgestattet.

Doch schauen wir uns den Bau mal näher an. 42 000 Tonnen Stahl wurden hier 2004 bis 2007 zu einem an ein Vogelnest erinnernden Monumentalbau zusammen gefügt. Die im 1000 km entfernten Shanghai gefertigten Stahlelemente waren alle verschieden, die Berechnung der Form ein Meisterwerk der Mathematik.

201211157410-15
Inzwischen hat das Design der unregelmäßigen Trägerstruktur Eingang in zahlreiche Entwürfe für Alltagsprodukte und Möbel gefunden.

Wegen der Wärmedehnung wurde die Außenhülle vom Innenaufbau des Stadion vollständig getrennt. 91 000 Besucher waren geplant. Schon kurz nach Baubeginn waren die Baukosten überschritten. Es wurde umgeplant und vereinfacht. Insgesamt wurden 325 Mio. Euro verbaut. Bis zur Eröffnungsfeier für Olympia 2008 war alles fertig.

201211157431-15
Das Wassersportzentrum mit seiner blau leuchtenden Bubble-Oberfläche nimmt Bezug auf die Fassade der Münchner Allianz-Arena. Für die Winterspiele wurde der Bau zeitweilig zur Eisbahn für die Curling-Wettbewerbe.

Einen Bezug auf den Bau der Allianz-Arena machten allerdings Andere. Direkt neben dem Stadion entstand das olympische Wassersport-Zentrum mit einer blau leuchtenden „Bubbel“-Fassade. Sie erinnert sehr stark an die farbig leuchtende Fassade in München. Diesen Bau gestaltete das australische Büro  PTW Architects aus Sydney.

2022 erlangten beide Gebäude neue Bedeutung. Für die Eröffnungsfeier der olympischen Winterspiele wurde in das Stadion ein Fußballfeld-großer LED-Fernsehbildschirm eingebaut. Das Schwimmzentrum wurde zum „Ice-Cube“ für die Curling-Wettbewerbe.

Für die Architekten Herzog und de Meuron hatte sich das Engagement offensichtlich gelohnt. Es sollte vertraulich bleiben, doch die Anschaffung der Gerhard Richter-Bilder im Kunstmuseum in Basel war nur möglich durch eine Millionen-Spende der Architekten/5/.

Die Schweizer Architekten Jacques Herzog und Pierre de Meuron gelten als sehr gut vernetzt. Mit dem Nationalstadion in Beijing schufen sie eine Architektur-Ikone. Die Münchner Allianz-Arena und auch der Plan für den Neubau am Kulturforum in Berlin stammen aus ihrer Feder. In ihrer Heimatstadt Basel wurden sie zudem als Kunstmäzene aktiv.

Literatur:
/1/ https://de.wikipedia.org/wiki/Nationalstadion_Peking
/2/ https://www.imdb.com/title/tt1164554/, Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=5kObNuDooe4
/3/ https://de.wikipedia.org/wiki/Herzog_&_de_Meuron
/4/ https://de.wikipedia.org/wiki/Nationales_Schwimmzentrum_Peking
/5/ https://tageswoche.ch/gesellschaft/herzog-de-meuron-waren-die-heimlichen-kunstmaezene/index.html
Die Webseiten wurden am 09.02.2022  abgerufen.

Die Gebäude stehen im Olympia-Park in Beijing. Die Fotos wurden 2012 aufgenommen.

Download der Printversion: 165_Vogelnest_Peking_K83-2022