Die Großmarkthalle in Leipzig war 1929 ein Bau der Rekorde. Auf Grund seiner Form und seiner früheren Verwendung bekam der eindrucksvolle Kuppelbau den Namen Kohlrabizirkus. Bis heute ist die Zukunft des Baus noch immer nicht gesichert.

Die 1920er Jahre bescherten Deutschland einen anhaltenden Aufschwung. Die Menschen konnten sich wieder etwas leisten. Der Handel blühte auf. Für die Versorgung der großen Städte mit Lebensmitteln entstanden in verkehrsgünstiger Lage nahe der Bahnlinien große Markthallen. Dort konnten sich Klein- und Zwischenhändler, Gastwirte und andere Großverbraucher mit Gemüse, Obst, Fleisch und anderen Produkten eindecken.

Die meist in städtischer Verantwortung gebauten Hallen setzten Maßstäbe. Die 1928 in Frankfurt am Main nach dem Entwurf von Martin Elsässer gebaute Halle brachte es immerhin auf stattliche 220 m Länge und war mit 55 m Breite damals die am weitesten gespannte,  stützenlose Halle der Welt. Leipzig wollte dem nicht nachstehen. Der umtriebige Stadtbaurat Hubert Ritter entwarf einen Kuppelbau der Superlative, der 1929 in Betrieb ging.

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Obwohl nur 29 Meter hoch, sind die beiden Kuppeln der Großmarkthalle weithin sichtbar.

Wenn die Graffiti-Künstler gewusst hätten,  dass die Betonschale der Kuppel nur 9 Zentimeter dick ist, weiß ich nicht, ob sie sich auf das Dach getraut hätten. Aber keine Angst, 1929 baute man mit Beton noch für die Ewigkeit. Die beiden Kuppeln der Leipziger Großmarkthalle haben eine Spannweite von 75 Metern. 1929 waren es die größten Massivkuppeln der Welt. Die Kuppeln werden von jeweils 8 schräg gestellten Säulen getragen und überspannen damit eine Fläche von mehr als 11.000 Quadratmetern. Die Halle ist voll unterkellert, hatte direkten Bahnanschluss und auf der Westseite ein im Stile des Neuen Bauens gestaltete Bürofront von 150 m Länge.

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Umspannt wird der Bau von einer 150 Meter langen Gebäudefront im Stile des Neuen Bauens.
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Im Inneren erinnern die mit einem Oberlicht versehenen Hallen an eine Zirkuskuppel. In der Nordhalle wird seit 2018 wieder Eishockey gespielt, ein richtiges Nutzungskonzept für die Hallen steht jedoch noch aus.

Die Funktion der Halle als Gemüsemarkt und das an eine Zirkuskuppel erinnernde Äußere brachten dem Bau schnell den Spitznamen „Kohlrabizirkus“ ein, der inzwischen zur offiziellen Bezeichnung für den Gebäudekomplex avanciert ist. Gemüsehandel gab es in der Halle bis 1995. Danach war erstmal Leerstand. Der nördliche Teil der Halle wurde notdürftig zur Event- und Konzerthalle umgestaltet und bot bis zu 2500 Personen Platz. Ab 2000 wurde die südliche Halle im Winter für einige Jahre mit einer Eisfläche für den allgemeinen Publikumsverkehr genutzt. Es war immerhin die größte Eisbahn in Deutschland.

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Leider ist inzwischen die Ostseite des Gebäudes nahezu vollständig von Graffiti überzogen.

Durch Geldmangel und die ausbleibende Sanierung verschlechterte sich der Zustand der Halle zusehends. Die Graffiti-Sprayer taten ein Übriges. Inzwischen nutzt der lokale Eishockeyclub den nördlichen Hallenteil wieder. Eine provisorische Tribüne für 2500 Besucher und eine entsprechende Eisfläche wurden installiert, im Büroteil konnten Umkleide- und Sozialräume untergebracht werden.

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Obwohl nur 29 Meter hoch, sind die beiden Kuppeln der Großmarkthalle weithin sichtbar.

Inzwischen gibt es wieder Hoffunng für das denkmalgeschützte Gebäude. Die Stadt Leipzig hat beschlossen, den Komplex zu kaufen.

Der Architekt Hubert Ritter (1886-1967) war von 1924 bis 1930 Stadtbaurat in Leipzig. In dieser Zeit entwarf er einen Generalbebauungsplan für die Stadt und initiierte zahlreiche Bauten. Zu seinen Meisterwerken zählen unter anderem der Neubau des Grassi-Museums, insbesondere der Entwurf der ikonischen Pfeilerhalle und der Bau der Großmarkthalle zusammen mit dem Bauingenieur Franz Dischinger.

Literatur:
/1/ https://de.wikipedia.org/wiki/Großmarkthalle_Leipzig
/2/ https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen/leipzig/leipzig-leipzig-land/leipzig-will-kohlrabizirkus-kaufen100.html
/3/ https://www.l-iz.de/politik/leipzig/2021/07/der-stadtrat-tagt-der-kohlrabizirkus-kommt-in-staedtische-hand-401767
Die Webseiten wurden am 23.10.2021 abgerufen.

Das Gebäude steht in Leipzig, An den Tierkliniken 38-40.

Download der Printversion: 161_Kohlrabizirkus-Leipzig_K81-2021