1912 ging der neue Darmstädter Hauptbahnhof in Betrieb. Das mit Jugendstilelementen dekorierte Bahnhofsgebäude gestaltete der Architekt Friedrich Pützer mit dem Segen von Großherzog Ernst Ludwig.
Bereits 1846 erhielt Darmstadt Anschluß an die Main-Neckar-Eisenbahn. Zwölf Jahre später kam die Ludwigsbahn nach Aschaffenburg und Mainz hinzu. Auf dem zentrumsnahen, heutigen Steubenplatz entstanden zwei getrennte Bahnhofsgebäude. Bald wurde es an diesem Standort für die nötigen Erweiterungen zu eng. Hinzu kam, dass die beiden privaten Bahngesellschaften um die Jahrhundertwende verstaatlicht wurden und in der Königlich Preußischen und Großherzoglich Hessischen Eisenbahndirection Mainz aufgingen.

1901 begannen die Planungen für einen neuen Hauptbahnhof. Für den Bau des Empfangsgebäudes wurde ein Architektenwettbewerb ausgeschrieben. Der hessische Großherzog Ernst Ludwig wollte einen modernen Baumeister für das Gebäude. Sein Cousin, Kaiser Wilhelm II., der sich gerne in die Gestaltung der Gebäude der Preußischen Eisenbahnen einmischte, hielt sich zurück und ließ dem Großherzog in seiner Residenzstadt freie Hand.

Die Architekten Friedrich Pützer und Fritz Klingholz gewannen in dem Architekturwettbewerb jeweils einen zweiten Preis. Pützer setzte sich am Ende durch und wurde nach Einbeziehung einiger Ideen von Klingholz 1908 mit dem Bau beauftragt. Das gesamte Großprojekt, zu dem auch die Verlegung von 100 km Gleisanlagen, mehrere Brücken und zahlreiche weitere Gebäude gehörten, wurde 1912 in Betrieb genommen.

Friedrich Pützer griff die Trends seiner Zeit auf. Das funktional einfache Gebäude dekorierte er innen und außen mit zeitgemäßem, aber nicht überbordenden Jugendstilschmuck. Die Gebäudeform selbst entsprach jedoch den Vorstellungen der Zeit. Eine Besonderheit gibt es. Während die Bahnhöfe damals eine eindeutig zur Stadt orientierte Schmuckfassade aufwiesen, gibt es in Darmstadt zwei Portale. Das große Mittelportal zeigt in Richtung Stadtmitte. Hier gelangt man auf kurzem Wege direkt von der Straßenbahnhaltestelle zu den Zugängen auf die tiefer liegenden Bahnsteige. Der zentrale Eingang in die schmucke Haupthalle liegt jedoch um die Ecke auf der südlichen Seite. Auf dieser Seite schließt sich der als kleines Seitengebäude ausgeführte Fürstenbahnhof an, eine private Empfangshalle für den Großherzog und seine Gäste mit eigenem Bahnsteig und einer separaten Zugangsbrücke zu den nominal 12 Bahnsteiggleisen.

Heute gehört der Bahnhof nach Frankfurt zu den verkehrsreichsten in Hessen und ist trotzdem nur untergeordnet in das Fernverkehrsnetz eingebunden. Von einer ICE-Verbindung im Stundentakt träumt man auf dem Großstadtbahnhof immer noch und auf der Ludwigsbahn gibt es auch nach 160 Jahren noch keine schnelle Verbindung nach Mainz oder Aschaffenburg.


Aber immerhin strahlt der Bahnhof seit der denkmalgerechten Restaurierung 2002 im alten Glanz. Und wer will, kann das geheimnisvolle Gleis 2 suchen /5/ oder das eingemauerte Ufo im Zwischengang.
Friedrich Pützer (1871-1922) war ein Darmstädter Architekt und Hochschullehrer. Er wurde bekannt durch zahlreiche Kirchenbauten, Industriegebäude und stadtplanerische Projekte. 1905 baute er den nach ihm benannten 40 Meter hohen Wohnturm auf dem Gelände der Firma Merck in Darmstadt und 1915 in Jena das erste deutsche Hochhaus. Der Hauptbahnhof in Darmstadt blieb sein einziges Bahnhofsprojekt.
Literatur:
/1/ https://de.wikipedia.org/wiki/Darmstadt_Hauptbahnhof
/2/ https://www.darmstadt-stadtlexikon.de/h/hauptbahnhof.html
/3/ https://www.allianz-pro-schiene.de/wettbewerbe/bahnhof-des-jahres/bahnhof-darmstadt/
/4/ Friedrich Pützer, In die Umgebung hineingedichtet, Bauten und Projekte, Hrsg. Regina Stephan, Spurbuchverlag Baunach, 2015
/5/ https://www.stupidedia.org/stupi/Darmstadt_Hauptbahnhof
Die Webseiten wurden am 22.01.2021 abgerufen.
Der Darmstädter Hauptbahnhof ist Bahnhof des Jahres 2010.
Download der Printversion: 147_Hauptbahnhof_Darmstadt_K74-2021