Noch heute werden in dem Gebäude Turbinen gefertigt. Unspektakulär wirkt der Bau mit leicht morbiden Charme in Berlin-Moabit. Man sieht ihm nicht an, dass damit 1909 ein neues Zeitalter der Industriearchitektur begründet wurde.
Als der Selfmade-Architekt Peter Behrens im Jahr 1903 die Darmstädter Künstlerkolonie verließ, hatte er gerade mal ein einziges Gebäude, sein eigenes Wohnhaus, gestaltet. Er hatte Schwierigkeiten, sich gegen die akademisch ausgebildeten Architekten durchzusetzen. Seine Ambitionen im Industriedesign führten ihn schließlich nach Berlin, wo er zum künstlerischen Beirat des Elektrokonzerns AEG berufen wurde. Er entwarf für die AEG nicht nur Briefbögen, Signet und Haushaltsprodukte. Auch die Gebäudegestaltung ließ ihn nicht los.
Behrens gründete 1907 sein eigenes Architekturbüro in Berlin. Einer seiner ersten Aufträge aus dieser Zeit war der Neubau für die Turbinenfabrik der AEG in Berlin-Moabit, eine 123 Meter lange, stützenfreie Halle mit Portalkrananlage für den Bau von großen Dampfturbinen für Kraftwerke. Zusammen mit dem Bauingenieur Karl Bernhard plante Behrens eine Stahl-Glas-Konstruktion. Die sichtbaren Stahl-Gelenkträgern mussten dabei die Last des Daches und die schwere Portalkrananlage im Inneren abstützen. Aus statischen Gründen sind deshalb die Träger und Außenfassaden leicht nach innen geneigt, um die gewaltigen Auflagekräfte dieser Konstruktion aufzunehmen.


Das Schmuckportal zur Straße hin weist einen polygonalen Giebel und zwei massiv wirkende seitliche Säulen auf. Obwohl statisch nur Zierrat, geben sie dem Bau ein monumentales Äußeres.
1909 war die Halle mit einem weiteren Seitengebäude nach nur sieben Monaten Bauzeit fertiggestellt.

Mit dem Bau setzt Behrens gleich in mehrerer Hinsicht Maßstäbe. Er baute eine der größten Hallen seiner Zeit. Er setzte auf sichtbare Konstruktionselemente und überwand die im Industriebau bis dato vorherrschende, mit Zierrat überladene, historisierende Backsteinbauweise. Und er schaffte mit den Glasfronten Licht in die Arbeitsräume, was der damaligen Diskussion um menschenwürdige Arbeitsbedingungen entgegenkam.
Das Gebäude gilt seither als Leitbau der modernen Industriearchitektur und ist bis heute Pilgerstätte von Architekturenthusiasten aus aller Welt. Der Bau gehört inzwischen zum Siemenskonzern. Seit 1909 bis heute werden in der Halle große Dampf- und später Gasturbinen gefertigt.
Peter Behrens (1868-1940) kam während seines Engagements auf der Darmstädter Mathildenhöhe zur Architek-tur. 1907 gründete er in Berlin ein Architekturbüro, in dem später führende Architekten wie Walter Gropius, Le Corbusier oder Ludwig Mies van der Rohe ihre ersten Anstellungen fanden. Für die AEG in Berlin arbeitete Behrens als Industriedesigner und gilt als Begründer der Corporate Identity. Als Architekt war er einer der erfolgreichsten seiner Zeit.
Literatur:
/1/ https://de.wikipedia.org/wiki/AEG-Turbinenfabrik
/2/ https://www.faz.net/aktuell/technik-motor/technik/weltkulturerbe-die-erste-halle-der-elektropolis-1653159-p2.html
/3/ https://www.visitberlin.de/de/aeg-turbinenhalle
/4/ https://de.wikipedia.org/wiki/Peter_Behrens
Die Webseiten wurden am 21.04.2020 abgerufen.
Das Gebäude steht in Berlin-Moabit, Huttenstraße 12–19.
Download der Printversion: 129_AEG-Turbinenhalle_K65-2020