In Gera in Thüringen errichtete der Architekt Thilo Schoder zahlreiche Bauten nach den Prinzipien des Bauhauses. Mit dem Gebäude der Frauenklinik von Dr. Ernst  Schäfer schuf er ein Beispiel gelungener funktionaler Architektur.

Der Architekt Thilo Schoder hatte bis 1911 an der Großherzoglich-Sächsischen Kunstgewerbeschule Weimar studiert. 1912 fand er eine Anstellung im Atelier  seines Lehrers Henry van de Velde in Weimar. Dort lernte er auch die Grundprinzipien der Architektur kennen, mit denen in der Folgezeit das aus der Kunstgewerbeschule hervorgegangene Bauhaus weltberühmt wurde. 1916 zog er nach Gera, um als künstlerischer Beirat einer Geraer Firma tätig zu werden. Nach dem Kriegseinsatz gründete er in Gera sein eigenes Architekturbüro und realisierte in der aufstrebenden thüringer Industriestadt zahlreiche Wohn- und Gewerbebauten. Er entwickelte Gera zu einem Zentrum des Neuen Bauens in Thüringen.

Für den befreundeten Gynäkologen Ernst Schäfer plante Schoder 1929 den Neubau einer Privatklinik. Er entwarf einen nahezu schnörkellosen Funktionsbau. Es sind drei ineinander gerückte kubische Baukörper mit einer klaren, bandförmigen Fenstergliederung und jeweils drei bzw. vier Etagen. Typisch für die Bauhaus-Architektur weisen die Treppenhäuser senkrechte, mit Simsen versehene Fensterbänder auf. Es gibt keinen zentralen Eingang. Der Zugang erfolgt seitlich und von der Rückseite. Der vertikal verglaste Treppenaufgang ist mit drei querlaufenden Simsen pro Etage gegliedert. Damit wird für den nur vierstöckigen Turm die Illusion eines mehretagigen Hochhauses geweckt. Dieser optische Trick gibt dem Gebäude eine insgesamt großzügige Erscheinung. Technisch ist es ein reiner Ziegelbau. Für spätere Bauten schwenkte der Architekt dann auch zur flexibleren Betonskelett-Bauweise um. Für die Fassadengestaltung setzt er farblich variierende Ziegel ein. Das dadurch entstehende Fassadenbild könnte auch aus unserer Zeit stammen.

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Das dreistöckige Bettenhaus grenzt an ein weitläufiges Parkgrundstück, um den Frauen den Aufenthalt in der Klinik möglichst angenehm zu machen.

Das Gebäude ist von einem großzügigen Parkgrundstück umgeben. Die gesamte Anlage sollte den Frauen den Aufenthalt in der Klinik möglichst angenehm machen. Der Bau wurde nach einer kurzen Bauzeit 1929 fertiggestellt.

Thilo Schoder errichtet bis 1931 noch einige Wohngebäude in Thüringen. Der Auftragsmangel in Folge der Weltwirtschaftskrise führte schließlich zur Aufgabe seines Büros in Gera. Schoder emigrierte nach Norwegen. Allein in Gera hinterließ er insgesamt 53 Gebäude, die zum großen Teil noch erhalten sind.

Auf dem Gelände der Klinik wurde 1939 noch ein Wohnhaus für den Chefarzt und für Klinikangestellte errichtet. Die Klinik überstand den Krieg und war bis 1961 in Betrieb. Danach wurde sie dem Bezirkskrankenhaus angeschlossen, blieb aber im Besitz der Nachkommen des Arztes Ernst Schäfer.

In den Jahren 1993/94 erfolgte eine umfassende Instandsetzung des Ge-bäudes. Dafür gab es den Denkmalpreis der Stadt Gera. Heute wird der Bau nicht mehr als Klinik genutzt. Das Haus ist inzwischen als Bürogebäude vermietet.

Der Architekt Thilo Schoder (1888-1979) war ein Schüler von Henry van de Velde. Seine Ausbildung erhielt er in Weimar noch Jahre vor der Gründung des Bauhauses.  Im thüringischen Gera betrieb er seit 1917 ein eigenes Studio.  Begeistert von den Ideen des  Bauhauses errichtete er vor allem in Gera zahlreiche Wohn- und Gewerbebauten und machte damit Gera zum heimlichen Zentrum der Bauhaus-Architektur. 1932 emigrierte er nach Norwegen und wurde dort zu einem der führenden Architekten.

Literatur:
/1/ https://de.wikipedia.org/wiki/Thilo_Schoder
/2/ Doris Weilandt, Volker Kielstein, Thilo Schoder: Schüler und Freund Henry van de Veldes, Verlag Vopelius, 2019
/3/ https://vogtland-zauber.de/auf-den-spuren-des-bauhaus-und-des-neuen-bauen-in-gera/
/4/ https://tourismus.gera.de/index.php/100-jahre-bauhaus
/5/ https://www.pressreader.com/germany/thuringische-landeszeitung-erfurt/20190907/282741998486686
Die Webseiten wurden am 23.01.2020  abgerufen.

Das Gebäude steht in Gera, Gagarinstr. 19.

Download der Printversion: 123_Frauenklinik_Schaefer_Gera_K62-2020