Für ein Instrument der physikalischen Grundlagenforschung baut der israelische Architekt Moshe Harel ein maßgeschneidertes Gebäude. Losgelöst von der Funktion entwickelt sich der Bau zum Erkennungszeichen des Weizmann-Instituts in Israel.
„Wenn der Korkenzieher mit dem Flaschenhals eine zu enge Bindung eingeht, dann gibt es einen dicken Kopf.“ Nie hätte ich gedacht, dass sich dieser Satz als Einleitung einer Architekturbeschreibung eignen würde. Hier aber passt es.

Es ist ein reiner Zweckbau, das Gebäude des Koffler-Beschleunigers des Canada-Centers für Kernphysik auf dem Gelände des Weizmann-Instituts of Science in Rehovot in Israel. Es sind zwei miteinander verbundene Türme. Ein gerader, 57 Meter hoher Turm mit umlaufenden Gängen erinnert an einen Korkenzieher. Der pilzförmige Hauptturm ist nicht ganz gerade und erreicht inklusive dem aufgesetzten „Ei“ 53 Meter Höhe. Der Korkenzieher-Turm enthält das Treppenhaus, die Aufzüge und die Haustechnik und ist mit vier Übergängen mit dem Hauptturm verbunden. In diesem Turm war der Teilchenbeschleuniger untergebracht. Das „Ei“ obendrauf beherbergt auf zwei Etagen das Ionenlabor und einen Besprechungsraum. Auf dem Treppenturm gibt es oben neuerdings noch eine astronomische Beobachtungkuppel. Fertiggestellt wurde der immer noch futuristisch anmutende Bau bereits 1975. Der Beschleuniger ging 1977 in den regulären Betrieb.

Stilistisch wird der Bau dem Brutalismus zugeordnet, benannt nach dem von französischen Architekten vor allem in den 1960er Jahren salonfähig gemachten Sichtbeton (béton brut). Der israelische Architekt Moshe Harel ließ sich in seiner Formensprache von Vorbildern wie Erich Mendelsohn mit dem Einsteinturm in Potsdam oder Frank Lloyd Wright mit dem Guggenheim-Museum in New York leiten. Im Gegensatz zu Mendelsohn, der 1920 wegen fehlender Schalungstechnik noch mit verputztem Ziegelmauerwerk arbeiten musste, konnte Harel den Bau gut fünfzig Jahre später mit gebogenen Stahlplatten als Schalung als Beton-Monolith ausführen.
Die 1970er waren die Jahre der Weltraumfahrt, und das spiegelte sich auch in der Form des Gebäudes und in der Ausstattung der im „Ei“ des Gebäudes befindlichen „Kommandozentrale“ wider. Es ist wie im Film und auch heute fühlt man sich dort wie im Raumschiff; eine Atmosphäre, die für einen Teilchenbeschleuniger nicht treffender sein konnte.
Der Koffler-Accelerator war damals einer der wenigen, großen Linearbeschleuniger der Welt. Es ist ein 14 Megavolt Ionenbeschleuniger vom Pelletron-Typ mit weniger als 100 Picosekunden Pulsdauer, der eine sehr genaue Analyse der nuklearen Reaktionsprozesse an Protonen und anderen Atomkernen erlaubt. Im Unterschied zu den Ringbeschleunigern von Darmstadt, Serpuchov, Standford oder CERN in Genf ging es im Weizmann-Institut nicht um die Entdeckung neuer chemischer Elemente, sondern um Grundlagenuntersuchungen bei der Verschmelzung von Atomkernen. Ein letztes technisches Upgrade erhielt der Beschleuniger um die Jahrtausendwende. Inzwischen ist die Anlage veraltet und stillgelegt.

Der Turm selbst in seiner eigentümlichen Form hat sich jedoch tief ins Gedächtnis eingeprägt und ist heute als Wahrzeichen des Weizmann-Institutes nicht mehr wegzudenken.
Der in den Niederlanden geborene Architekt Moshe Harel (1920-2001) wanderte 1953 nach Israel aus. In den folgenden Jahren errichtete er in Israel zahlreiche Bauwerke, vor allem Institutsgebäude in fast allen israelischen Universitäten. Seine bekanntesten sind der Koffler-Accelerator und der Solar-Tower am Weizmann-Institut of Science in Rehovot.
Murray Koffler (1924-2017) war ein kanadischer Geschäftsmann und Philanthrop. Er finanzierte den Bau des Beschleunigers und war für viele Jahre Leiter des International Board des Institutes.
Literatur:
/1/ The Weizmann Institute of Science (ed. by Yivsam Azgad), Campus Buildings, Rehovot, p. 34-35.
/2/ http://israelphilately.org.il/en/catalog/articles/291/Koffler%20Accelerator
/3/ https://wis-wander.weizmann.ac.il/sites/default/files/books/pdf/Part%202_1976-1993.pdf
/4/ https://hal.archives-ouvertes.fr/jpa-00244313/document
/5/ https://peoplepill.com/people/murray-koffler/
/6/ https://peoplepill.com/people/moshe-harel/
Die Webseiten wurden am 30.12.2019 abgerufen.
Das Gebäude steht auf dem Campus des Weizmann Institutes of Science in Rehovot, Israel.
Download der Printversion: 121_Koffler-Accelerator_K61-2019