Der Architekt Le Corbusier gilt als einer der Ziehväter des industriellen Wohnungsbaus in Form von rein funktionalen, regalförmigen Wohnhochhäusern. Für den Neubau der Wallfahrtskapelle in Ronchamp brach er mit dieser Tradition.

Der Hügel bei Ronchamp am Fuße der Vogesen diente vermutlich schon in keltischer Zeit als Kultstätte. Einen Kirchenbau gab es bereits im 11. Jahrhundert. Seit dem 15. Jahrhundert ist der Ort als Wallfahrtsort bezeugt. Im Zuge der französischen Revolution wurde die Kirche Privateigentum und schließlich von den Bürgern von Ronchamp gekauft. Der letzte Kirchenbau, nach einem Brand 1926 im neugotischen Stil errichtet, war im Krieg aufgrund der exponierten Lage Beobachtungsposten und wurde in den  schweren, verlustreichen Kämpfen um den Hügel zerstört.

1949 wurde eigens eine Immobiliengesellschaft gegründet, um den Wiederaufbau der Kirche voranzubringen. Für den Neuaufbau wollte man den bekannten Architekten Le Corbusier gewinnen. Dieser lehnte zunächst ab. Ein Besuch auf dem Hügel faszinierte ihn dann doch und er legte einen ersten Entwurf vor. 1953 begannen die Bauarbeiten. Es war eine Herausforderung, da sich Le Corbusier von Anfang an für Beton als Baumaterial entschieden hatte und bisher nur ein schmaler Pilgerpfad auf den Hügel hinaufführte. 1955 wurde die Kapelle eingeweiht. Der umstrittene Bau wurde schnell bekannt. 1962 besuchten anlässlich des Zweiten Vatikanischen Konzils bereits 250.000 Menschen eine Wallfahrtsmesse an der Kapelle.

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An der Ostseite hat der Bau unter dem geschwungenen Dach einen großen Außenaltar, der Gottesdienste für weit über 1000 Besucher ermöglicht.
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Die Mystik setzt sich im Inneren fort. Irregulär angeordnete Fensteröffnungen erzeugen ein immer neues Lichtspiel und projizieren ihre Inschriften und Farben in den Innenraum. Leichtigkeit und Schwere zugleich suggeriert das nahezu schwebende Dach über dem Beton der Außenwände.

Der Innenraum der Kirche bietet nur 200 Besuchern Platz. An der Ostseite jedoch hat der Bau unter dem geschwungenen Dach einen großen Außenaltar, der Gottesdienste für weit über 1000 Besucher ermöglicht. Die abgerundeten Türme beherbergen Seitenkapellen, die auch für  kleinere Gottesdienste geeignet sind.

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Die halbseitig abgerundeten Türme der Kirche leiten über ein Fensterband Licht ins Innere.

Der geschwungene, skulpturale Bau erscheint wie ein Bruch in der Bautradition des Architekten. Le Corbusier war nicht erst seit dem Bau in der Stuttgarter Weißenhofsiedlung bekannt für schmucklose Funktionsästhetik und regalartige Hochhäuser, für die er selbst den Begriff Wohnmaschinen prägte. Um so mehr verwundert die geschwungene Gestaltung des Daches und das nahezu vollständige Fehlen des rechten Winkels im Grundriss und den Außenwänden. Die karge Innenausstattung und die bunkerartig angelegten Fensternischen tun ein Übriges. Man nimmt sich im Inneren zurück und wird demütig. Wie eine Erscheinung wirkt die Marienstatue in einer Fensternische über dem Altar.

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Der schlichte Beton-Altar folgt dem Raumkonzept des Architekten.

Heute ist die Kirche Bestandteil des UNESCO-Weltkulturerbes und gilt als Friedenssymbol. Die Kapelle zieht mehr als 80.000 Besucher im Jahr an, christliche Pilgerer und Architekturfans gleichermaßen.

Le Corbusier (1887-1965) war ein schweizerisch-französischer Architekt und Architekturtheoretiker. Er gilt als einer der einflussreichsten Architekten des 20. Jahrhunderts. Das von ihm entwickelte, Modulor genannte Raumkonzept war die Grundlage für zahlreiche nur auf die Funktion beschränkte Gebäude.

Literatur:
/1/ https://de.wikipedia.org/wiki/Notre-Dame-du-Haut_(Ronchamp)
/2/ http://www.archipicture.eu/Architekten/Frankreich/Corbusier/Le%20Corbusier%20-%20NotreDameDuHaute%20Ronchamp%201.html
/3/ https://www.archibition.com/architektur/chapel-notre-dame-du-haut/
/4/ https://de.wikipedia.org/wiki/Le_Corbusier
Die Webseiten wurden am 13.10.2019  abgerufen.

Die Kapelle Notre Dame du Haut steht in der  Rue de la Chapelle  13 in Ronchamp, Frankreich.

Download der Printversion: 117_Ronchamp_K59-2019