Mit repräsentativer Zweckmäßigkeit könnte man den Baustil des Forschungs- und Laborgebäudes auf dem Werksgelände von Merck in Darmstadt beschreiben. Die zeitlose Architektur aus den frühen 1930er Jahren kann sich bis heute behaupten.
Als die Firma Merck 1928 die Erweiterung ihrer Forschung plante, hatten die von Friedrich Pützer 1904 an dieser Stelle errichteten Gebäude bereits ein Vierteljahrhundert auf dem Buckel. Der zweistöckige, L-förmige Gebäudekomplex teils mit hohem Satteldach bot nicht mehr ausreichend Platz, der Brandschutz war vor allem mit Blick auf die wertvolle Bibliothek nicht mehr zeitgemäß und einige der Eisenträger der Deckenkonstruktion rosteten zusehends.
Mit der Neuplanung wurde der Architekt Eugen Seibert beauftragt. Im Vorfeld besichtigte das Planungsteam einige der damals modernsten Labors, unter anderem in Dresden und Berlin. 1929 wurde begonnen, von den Pützerschen Bauten die hohen Dächer abzutragen. Die noch verwendbaren Gebäudeteile wurden grundsaniert. Die „Wissenschaft“, wie der Bau damals häufig genannt wurde, erhielt auf der Südseite fünf Vollgeschosse und auch der westliche Gebäudeteil wurde aufgestockt. Auf der Nordseite kam ein vierstöckiger Neubau hinzu.

Deutlich setzte sich der Architekt vom traditionellen Stil der Bauten von Friedrich Pützer ab. Eine klare, kubische Gebäudeform, eine horizontale Fassadengliederung mit durch Sichtmauerwerk betonten Fensterbändern und ein zentraler, von angedeuteten Säulen umrahmter Eingang gaben dem Gebäudekomplex eine zeitlose Erscheinung. 1930/31 wurden die modernen Forschungslabors in Betrieb genommen. Auch die wissenschaftliche Bibliothek, die Patentabteilung und die Leitung der Forschung zogen ein.
Stilistisch ist das Gebäude irgendwo zwischen Backstein-Expressionismus und dem Stil der Neuen Sachlichkeit einzuordnen. Es gibt auch klassizistische Elemente, wie der zentrale, von angedeuteten Säulen umrahmte Eingang. Insider werden sich noch an den im Gebäude verbauten Paternoster erinnern.

Technisch und funktional ist der Bau bis heute auf der Höhe der Zeit. Die Labors und Büros boten nicht nur damals gute Arbeitsbedingungen. Nach zahlreichen Modernisierungen sind die Gebäude heute Bestandteil einer modernen Infrastruktur auf dem Gelände Die wissenschaftliche Bibliothek ist jedoch nach mehr als 70 Jahren ausgezogen. Die digitale Verfügbarkeit der Literatur an jedem Arbeitsplatz machte die Präsenz im Gebäude nicht mehr notwendig. Genutzt wird der Platz inzwischen für repräsentative Büros. Das Eingangsportal des Gebäudes mit der großen Freitreppe bekam symbolische Bedeutung. Viele Jahre diente es als Hintergrund für zahlreiche Gruppenfotos nach Meetings in Darmstadt.
Der Architekt Friedrich Pützer (1871-1922) wurde 1902 ordentlicher Professor für Städtebau an der Technischen Hochschule in Darmstadt. Im gleichen Jahr bekam er von der Firma Merck den Auftrag, für das neue Werksgelände unter anderem Forschungs- und Verwaltungsgebäude sowie dem später nach ihm benannten Turm zu entwerfen.
Die Erweiterung und der Neubau der Forschungsgebäude wurde 1928-31 von Eugen Seibert (1883-1938) im Stil der Neuen Sachlichkeit realisiert. Die Bauten werden – mehrfach modernisiert – bis heute für verschiedenste Funktionen genutzt.
Literatur:
/1/ https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Pützer
/2/ https://www.darmstadt-stadtlexikon.de/p/puetzer-friedrich.html
/3/ https://de.wikipedia.org/wiki/Hauptlaboratorium_(Darmstadt)
/4/ Friedrich Pützer, In die Umgebung hineingedichtet, Hrsg. Regina Stephan, Spurbuchverlag Baunach, 2015
/5/ Jahresbericht der technischen Abteilung, Merck-Archiv F3/32G, S. 14ff, Darmstadt, 1928
/6/ Hanns Adrian, Beitrag zur Chronik der Technischen Abteilung, Band IV, Merck Darmstadt, o.J. , S. 242ff
Die Webseiten wurden am 18.02.2019 abgerufen.
Das Gebäude steht in Darmstadt, Frankfurter Straße 250 und ist nicht öffentlich zugänglich.
Download der Printversion: 103_Wissenschaft_Merck_K52-2019
Ein herzlicher Dank an das Standortmanagement und die Mitarbeiter von Corporate History der Merck KGaA für die Fotogenehmigung, die Unterstützung bei der Recherche und die Freigabe dieses Beitrages.