Das Haus in Kronberg am Taunus, das Clara Gans 1931 von Peter Behrens bauen ließ, sollte schon abgerissen werden. Erst der Denkmalschutz bewahrte dieses frühe Zeugnis der Moderne. Jetzt wird das Haus schrittweise renoviert.

Die Industriellentochter Clara Gans (1881-1959) entschied sich 1928 für den Berliner Architekten Peter Behrens, um auf einem großen Hanggrundstück in bester Lage in Kronberg am Taunus ein repräsentatives Wohnhaus zu errichten. Der Bau sollte modern sein und sich gleichzeitig in die weitläufige Landschaft einfügen.

Behrens brauchte sieben Entwürfe, bis er den Ansprüchen seiner Auftraggeberin genügen konnte. Trotz Weltwirtschaftskrise und Inflation konnte das Gebäude von 1929 bis 1931 realisiert werden.

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Der mit Kalkstein aus dem Unstruttal verkleidete Baukörper zeigt alle Elemente der später „Internationaler Stil“ genannten Bauweise. Die Simse über den Fenstern und die Balkongeländer betonen die Horizontale und tragen so zur skulpturalen Wirkung des Gebäudes bei.

Der kubische und horizontal gestreckte Bau thront hoch oben auf einem riesigen Grundstück und beherrschte damals das ganze Tal. Von der Terrasse hatte man einen atemberaubenden Blick über Frankfurt. Der mehrgliedrige Bau beinhaltete die luxuriös ausgestattete Wohnung von Clara Gans im Obergeschoss, Empfangs- und Gästeräume im Erdgeschoss und in einem seitlich abgesetzten Gebäudeteil Räume für das Personal. Beeindruckend für die damalige Zeit war die elektrisch versenkbare, große Fensterfront im Erdgeschoss, wodurch der Salon nahtlos mit der großen Terrasse verbunden werden konnte. Die horizontale Gliederung, das flache Dach und die Verbindung der Gebäudeteile über ausgedehnte Terrassen gaben dem Haus eine majestätische Erscheinung.

Inzwischen versteckt sich das Anwesen hinter großen Bäumen. Es hat jedoch von seiner Ausstrahlung nichts eingebüßt.

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Die beiden Gebäudeteile sind über eine ausgedehnte Terasse verbunden.
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Die Simse über den Fenstern und die Balkongeländer betonen die Horizontale.
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Beeindruckend für die damalige Zeit war die elektrisch versenkbare, große Fensterfront im Erdgeschoss, wodurch der Salon nahtlos mit der großen Terrasse verbunden werden konnte.

Die Bauherrin Clara Gans konnte ihr Gebäude allerdings nur für kurze Zeit nutzen. Die Familie von Clara Gans war zwar zum Protestantismus konvertiert, dennoch galten sie in der Rassenideologie der Nationalsozialisten als Juden. Nachdem in ihrer Abwesenheit 1938 in dem Haus Feuer gelegt wurde, emigrierte Clara Gans in die Schweiz. Das Haus fiel an den Staat und erlebte danach eine nicht vollständig aufgeklärte, wechselvolle Geschichte. Zunächst wurde es vermietet. Während des Krieges wohnten aus Frankfurt evakuierte Bürger in dem Gebäude. Abgedeckt mit grünen Matten überstand der Bau den Krieg.

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Selbst das Eingangstor passt sich dem Stil des Gebäudes an.
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Heute wird das Haus von drei Familien bewohnt.

Nach Kriegsende beschlagnahmte die amerikanische Militärbehörde das Anwesen. Danach wechselten die Besitzer. Unter anderem wuchs von 1957 bis 1967 der Komponist Hans Zimmer in der Villa auf. Nach dem Tod seines Vaters scheiterten mehrere Versuche, das Haus zu verkaufen. So stand es ab 1969 leer und verfiel. Ein Antrag der Stadt, das Gebäude abzureißen, rief das Denkmalamt auf den Plan. Auf dessen Betreiben hin wurde es 1974 unter Schutz gestellt. Ein neuer Besitzer begann mit der Instandsetzung, konnte das Gebäude jedoch nicht halten. In den 1980iger Jahren haben drei Familien das Anwesen übernommen und es zunächst instand gesetzt und der Nutzung als Dreifamilienhaus angepasst. Es entstand ein lebendiges Denkmal, das in vielen Details den originalen Zustand der Villa bewahrt. Aktuell wird in akribischer Detailarbeit die Farbgebung im Foyer und im Obergeschoss wiederhergestellt und so der Charakter der Räume wieder erlebbar.

Fast dreißig Jahre nach seinem Erstlingswerk auf der Darmstädter Mathildenhöhe realisiert der Architekt Peter Behrens (1868-1940) in Kronberg im Taunus die Villa Gans.  In dem repräsentativen Bau setzte er die  Formensprache der Bauhaus-Moderne erstmalig bei einer Luxus-Villa um.
Das Gebäude wird zusammen mit der Villa Tugendhat in Brno von Ludwig Mies van der Rohe als Meilenstein der Moderne  angesehen und gilt als stilprägend für die Architektur der Folgezeit.

Literatur:
/1/ https://de.wikipedia.org/wiki/Villa_Gans_(Kronberg)
/2/ Kerstin Bussmann, Die Villa Clara Gans –  Neue Befunde zu einem Relikt der Luxusmoderne, MODULØR-Magazin ,  01/2018, S.32-41
/3/ https://www.immobilienreport.de/architektur/Behrens-Peter.php
/4/ https://de.wikipedia.org/wiki/Peter_Behrens
/5/ Hermann K. Zimmermann: Ein Landsitz am Taunus, in Deutsche Kunst und Dekoration, 70, 1932, https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/dkd1932/0042
/6/ Verena Jakobi, „Landhaus einer Dame im Taunus“, Kurzberichte aus den Landesdenkmalämtern, Die Denkmalpflege, 77 Jg., Heft1/2019, Seite 83-85 (Literaturhinweis nachträglich ergänzt)
Die Webseiten wurden am 17.10.2018  abgerufen.

Das Gebäude steht in Kronberg, Falkensteiner Straße 19.

Mein herzlicher Dank gilt der Bewohnerfamilie für die freundliche Erlaubnis zu fotografieren und für die Literaturhinweise.

Download der Printversion: 91_Villa_Gans_Kronberg_K46-2018