Vor gut 50 Jahren baute der Architekt Hermann Henselmann am Berliner Alexanderplatz das „Haus des Lehrers“. Das Hochhaus zusammen mit dem angrenzenden Kuppelbau der Kongresshalle gilt heute als eines seiner Hauptwerke.

Ob die farbigen Bauchbinden kubanischer Zigarren den Architekten Hermann Henselmann beim Entwurf des Gebäudes inspiriert haben, ist nicht überliefert. Kubanischen Zigarren waren in den 1960er Jahren groß in Mode und auch politisch opportun. Denn Architektur am Berliner Alexanderplatz war schon immer politisch. Es bleibt auch im Dunklen, ob sich Margot Honecker, die ewige Bildungsministerin der DDR, bereits zur Amtsübernahme ein Denkmal setzen wollte.
Die Geschichte geht noch viel weiter zurück. Bereits 1908 errichtete der Berliner Lehrerverein an dieser Stelle ein Jugendstilgebäude mit Begegnungsräumen, einer Bibliothek und einem Saal für 1700 Personen. Der Bau wurde leider im Krieg zerstört. Als nach dem Bau der Berliner Mauer der Alexanderplatz zum neuen Zentrum Ostberlins ausgebaut werden sollte, kam die Idee eines Hauses für die Lehrer gerade recht. Stadtarchitekt Henselmann bekam den Planungsauftrag.
Hermann Henselmann hatte seine Auftraggeber mit einer Gesamtplanung der Neugestaltung der Mitte Berlins überzeugt. Er avancierte damit faktisch zum „Staatsarchitekten“ für die Modernisierung der Innenstädte in der DDR. Er kombinierte meist dominante Hochhäuser mit großen freien Plätzen, die schnell den Ruf weg hatten, als Aufmarschplätze konzipiert zu sein.
Architektonisch war Hermann Henselmann nach dem Fall des Stalinschen Dogmatismus auf der Höhe der Zeit. Für das Haus des Lehrers plante er einen einfachen, kubischen Baukörper, der im Erdgeschoss auf runden Säulen steht. Neben dieses Hochhaus setzte er einen flachen Kuppelbau als Kongresshalle. Domnierendes Gestaltungselement des zwölfgeschossigen Hochhauses ist der in der dritten und vierten Etage umlaufende, 127 Meter lange Wandfries „Unser Leben“ von Walter Womacka. Das Mosaik zeigt Szenen aus dem Alltag in der DDR. Im Volksmund bekam das Bild schnell die Bezeichnung Bauchbinde. Der Mosaikfries ist eines der größten Flächenkunstwerke in Europa.

Das Gebäudeensemble steht heute unter Denkmalschutz und war als einziges der DDR-Bauten bei der erneuten und wiederum politisch motivierten Neukonzipierung des Alexanderplatzes unstrittig. Von den hochfliegenden Plänen aus den neunziger Jahren wurde jedoch nicht viel realisiert. Allerdings wurde der „Aufmarschplatz“ vor dem Haus des Lehrers als erstes mit einem Elektronikmarkt zugebaut und damit die Henselmannsche Gesamtkonzeption des Platzes aufgehoben. 2002 umfassend renoviert, wird der Bau heute als Bürohaus vermietet. Nachdem die Berliner Schulverwaltung ausgezogen ist und die hinter den zwei Etagen des Wandfrieses verborgene pädagogische Bibliothek umziehen musste, ist von der vormaligen Funktion nicht mehr viel übrig. Trotzdem wurde die Bezeichnung „Haus des Lehrers“ beibehalten.
Hermann Henselmann (1905-1995) gilt als einer der umstrittensten, aber auch erfolgreichsten Architekten der DDR. Nachdem er in den 1930er Jahren mit Gebäuden im Bauhausstil international erfolgreich war, wandte er sich in den Fünfzigern dem aus der Sowjetunion beeinflussten klassizistischen Baustil zu. Er gestaltete maßgeblich die Berliner Stalin-Allee, die Turmbauten am Straußberger Platz und am Frankfurter Tor. Mit dem Haus des Lehrers leitete er einen Paradigmenwechsel hin zur Moderne in der DDR ein. Seine Universitätshochhäuser in Leipzig und Jena wurden stadtbildprägend.
Literatur:
/1/ https://www.hausdeslehrers.de/geschichte/
/2/ https://de.wikipedia.org/wiki/Haus_des_Lehrers
/3/ http://www.stadtentwicklung.berlin.de/planen/staedtebau-projekte/alexanderplatz/de/heute/haus_des_lehrers/index.shtml
/4/ https://de.wikipedia.org/wiki/Hermann_Henselmann
/5/ http://www.deutschlandfunk.de/biografie-der-ddr-architekt-hermann-henselmann-und-die.700.de.html?dram:article_id=287482
/6/ http://www.hermann-henselmann-stiftung.de/biografie-hh
Die Webseiten wurden am 17.04.2018 abgerufen.
Die Gebäude stehen in Berlin-Mitte am Alexanderplatz, die Adresse ist Alexanderstraße 9.
Download der Printversion des Textes als PDF: 73_Haus_des_Lehrers_K37-2018