Genia Averbuch war 25 Jahre alt, als sie den Wettbewerb um die Gestaltung des Zina-Dizengoff-Platzes in Tel Aviv gewonnen hat. Ihre Idee der umlaufenden Balkone wurden zum architektonischen Symbol der „Weißen Stadt“.

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Zina-Dizengoff-Platz in Tel Aviv: Weiße, umlaufende Balkone über drei Etagen prägen die Gebäude rund um einen Kreisverkehr an einer zentralen Kreuzung mitten in Tel Aviv (Architektur: Genia Averbuch 1934)

Architektur ist bis heute sehr stark männlich dominiert. Und bis auf wenige Ausnahmen beschränken sich Frauen in dieser Berufsgruppe meist auf die Innenraumgestaltung und die Ausstattung der Gebäude ihrer männlichen Fachkollegen. Bei der israelischen Architektin Genia Averbuch war es 1934 umgekehrt. Mit einem noch frischen Architektur-Diplom der Royal Academy of Arts in Brüssel in der Tasche beteiligte sie sich an einem Wettbewerb um die Gestaltung des neuen zentralen Platzes in Tel Aviv. Der Kreisverkehr an der Kreuzung dreier Hauptstraßen sollte das neue Zentrum der schnell wachsenden Stadt werden. Genia Averbuch gewann den Wettbewerb. Ihr Entwurf sah rund um den Platz angeordnete, leicht abgerundete Gebäude vor,  die sich einheitlich durch weiße, umlaufende Balkone auszeichneten. Sie schuf damit nicht nur das Markenzeichnen des später als „Weiße Stadt“ berühmt gewordenen Zentrums von Tel Aviv. Hier  durften sich auch ihre geschätzten männlichen Fachkollegen ihrem Gestaltungsvorschlag unterordnen.

 

 

Wahrscheinlich nur eines der sechs charakteristischen Gebäude entwarf sie selbst. Der wohl berühmteste Bau an dem Platz, das heute zum Hotel umgebaute Cinema Esther, wurde von dem aus der Ukraine stammenden Architekten Yehuda Magidovitch gestaltet.

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Zina-Dizengoff-Platz in Tel Aviv: Die charakteristischen weißen Balkone rahmen den großen kreisrunden Platz ein und fügen die Gebäude zu einem einheitlichen Ganzen zusammen.

Doch die Bauten von Genia Averbuch haben noch eine weitere Diskussion losgetreten. Die Bilder der abgerundeten weißen Balkone zieren bis heute den Titel fast jeden Buches, dass sich mit der Bauhaus-Architektur in Tel Aviv befasst. Doch Genia Averbuchs Gestaltungsprinzipien stammen nicht vom Dessauer Bauhaus. Die Gebäude stehen vielmehr in einer Linie mit den skulpturalen Bauten von Le Corbusier und Frank Lloyd Wright. So setzt sich in den letzten Jahren für die Architektur der „Weißen Stadt“ in Tel Aviv immer mehr die Bezeichnung „International Style“ anstelle von „Bauhaus“ durch.

Seit dem vorigem Jahr wird der Zina-Dizengoff-Platz umfassend renoviert. Die Gebäude erstrahlen bereits wieder in ihrer unvergleichlichen, weißen Eleganz.

Genia Averbuch, hebr. ג’ניה אוורבוך (1909-1977), wuchs in Tel Aviv auf. Von 1926 bis 1930  studierte sie in Rom und Brüssel Architektur. Mit der Gestaltung des Zina-Dizengoff-Platzes in Tel Aviv schrieb sie  Architekturgeschichte. Mit ihrem eigenen Architekturbüro baute sie bis in die 1970er Jahre zahlreiche Wohn- und Geschäftsgebäude und auch zwei Synagogen in Israel

Literatur:
/1/ https://de.wikipedia.org/wiki/Genia_Awerbuch
/2/ https://en.wikipedia.org/wiki/Genia_Averbuch
/3/ https://en.wikipedia.org/wiki/Dizengoff_Square
/4/ https://jwa.org/encyclopedia/article/architects-in-palestine-1920-1948
/5/ Stefan Boness, The White City Tel Aviv, jovis Verlag, Berlin 2014
/6/ Micha Gross (ed.), Preservation and Renewal, Bauhaus and International Style Buildings in Tel Aviv, Bauhaus-Center Tel Aviv, 2014
Die Webseiten wurden am 17.02.2018  abgerufen.

Der Zina-Dizengoff-Platz befindet sich mitten in Tel Aviv an der Kreuzung von Dizengoff-, Pinsker- und Reines-Straße.

Download des Textes als PDF: 65_Dizengoff_Platz_Tel_Aviv_K33-2018