Als Albert Einstein 1916 seine Allgemeine Relativitätstheorie veröffentlichte, forderte die Wissenschaft experimentelle Beweise. Für das dafür notwendige Sonnenobservatorium schuf Erich Mendelsohn in Potsdam ein architektonisches Meisterwerk.

Auf einer Anhöhe in Potsdam wurde 1876 das Hauptgebäude für das kurz vorher gegründete „Königliche Observatorium für Astrophysik“ errichtet. Für die Architektur in Anlehnung an das weltberühmte Schloss Sanssouci wurde das Gelände des Telegrafenberges eigens im Stile eines englischen Landschaftsparks angelegt. Die drei drehbaren Kuppeln beherbergten die damals modernsten Fernrohre der Welt. 1899 weihte Kaiser Wilhelm II. mit dem großen Refraktor einen weiteren Kuppelbau in dem Park ein. Das Institut wurde eines der wichtigsten Zentren der Astronomie.
Als Albert Einstein 1916 seine Allgemeine Relativitätstheorie veröffentlichte, war es der damalige Leiter des Potsdamer Observatoriums Karl Schwarzschild, der kurz darauf die ersten Lösungen für die von Albert Einstein in dieser Theorie aufgestellten Feldgleichungen lieferte. Was lag näher, als auch in Potsdam nach der von Einstein vorhergesagten Rotverschiebung der Spektrallinien des Lichtes im Schwerefeld der Sonne zu suchen.

Der Astrophysiker Erwin Finlay Freundlich nahm die Herausforderung an und plante ein Turmteleskop zur Sonnenbeobachtung. Ein vertikal angeordnetes Fernrohr mit einer Brennweite von 14 Metern leitet das Licht in ein horizontales Spektrometer, mit dem die Analysen vorgenommen wurden. Die hohe Empfindlichkeit verlangte separate Fundamente für die Instrumente und eine massive, schützende Gebäudehülle. Freundlich kannte den aufstrebenden Architekten Erich Mendelsohn und beauftragte ihn mit der Gebäudeplanung. Dieser nutzte die gestalterischen Freiheiten, die sich durch die ungewöhnlichen Anforderungen an den Bau ergaben und erstellte einen expressio-nistischen Entwurf, den Albert Einstein später als „organisch“ bezeichnete.
Die abgerundeten Formen scheinen dem Schiffbau entsprungen zu sein. Es finden sich aber auch Bögen, die dem Wiener Jugendstil entstammen könnten. Die Fensteröffnungen nehmen die abgerundeten Balkone der Bauhaus-Architektur vorweg. Und doch verschmilzt alles zu einer ausgewogenen, organischen Form. Der Bau sollte ursprünglich als Beton-Monolith ausgeführt werden. Leider war zur Bauzeit 1919-22 die Verschalungstechnik noch nicht soweit entwickelt, um die runden Formen in Beton zu gießen. So b-steht der Bau zum großen Teil aus Mauerwerk. Die homogene Form wurde durch den Auftrag eines Spritzputzes erreicht. Der Einbau der Instrumente erfolgte bis 1924. Das Einsteinturm genannte Observatorium ist bis heute in Betrieb.
Die mutige Architektur, die sich gut in den Park einfügt, ist programmatisch und hat ganze Architektengenerationen von Walter Gropius und Le Corbusier über Daniel Libeskind bis zu Zaha Hadid beeinflusst /5/.
Erich Mendelsohn (1887-1953) gilt als einer der wichtigsten Architekten der Moderne. Mit seinen expressionistischen Bauten setzte er bedeutende Akzente der Architekturgeschichte. Der Einsteinturm in Potsdam machte ihn international bekannt. In den 1920er Jahren führte er ein großes Architekturbüro in Berlin und realisierte zahlreiche Bauten in ganz Europa, später in Israel und bis zu seinem Lebensende in den USA.
Literatur:
/1/ https://de.wikipedia.org/wiki/Einsteinturm
/2/ http://www.aip.de/de/forschung/forschungsschwerpunkt-kmf/cosmic-magnetic-fields/sonnenphysik/optische-sonnenphysik/einsteinturm
/3/ Jörg Limberg, Potsdam, Sternwarten und Denkmalpflege, in Brandenburgische Denkmalpflege, 19 (2010) 1, S. 89
/4/ http://www.urania-potsdam.de/seite/304701/einsteinturm.html
/5/ https://www.morgenpost.de/berlin/article206848437/Warum-Daniel-Libeskind-den-Einsteinturm-so-liebt.html
/6/ https://de.wikipedia.org/wiki/Erich_Mendelsohn
Die Webseiten wurden am 27.01.2018 abgerufen.
Das Gebäude steht in Potsdam im Institutsgelände auf dem Telegrafenberg und kann von außen besichtigt werden.
Dowload des Textes als PDF: 63_Einsteinturm_Potsdam_K32-2018
Ein sehr interessanter Beitrag, danke dafür!
Viele Grüße, Becky
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