Ein Krankenhaus vom Kirchenbaumeister, kann das gut gehen? Der Architekt Otto Bartning plante 1950 zusammen mit Otto Dörzbach die Darmstädter Frauenklinik. Der Bau erfüllt auch nach 65 Jahren noch seine Funktion.

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Der Otto-Bartning-Bau, die Frauenklinik des Städtischen Krankenhauses in Darmstadt. Die gegliederte Südfassade wendet sich dem Sonnenlicht zu. Es überwiegt schlichte Funktionalität.

Im Jahr 1950 lud die Stadt Darmstadt auf Initiative von Otto Bartning namhafte Architekten ein, Entwürfe für städtische Bauten vorzulegen. Elf Entwürfe wurden anknüpfend an die Tradition der Künstlerkolonie 1951 in einer Ausstellung auf der Darmstädter Mathildenhöhe gezeigt. Fünf davon gingen als „Darmstädter Meisterhäuser“ in die Realisierung, darunter der von Otto Bartning und Otto Dörzbach geplante Bau der Frauenklinik für das städtische Krankenhaus.

Es war nicht der erste Klinikneubau des vor allem durch Kirchenbauten bekannt gewordenen Architekten Otto Bartning. Bereits in den 1930er Jahren errichtete er eine Entbindungsklinik in Luxemburg, zuvor ein Krankenhaus in Berlin.

Otto Bartning, der mit Walter Gropius 1919 die Grundprinzipien einer dem Menschen zugewandten Architektur für die Gründung der Bauhaus-Schule in Weimar ausgearbeitet hatte, war einer funktionalen Bauweise verpflichtet. In den fünfziger Jahren in Darmstadt musste er sich dazu mit dem Stadtbaudirektor Peter Grund auseinandersetzen, der vor allem ein an Magistralen und Verkehrsadern orientiertes, repräsentatives, Bebauungskonzept verfolgte. „Maßstab ist der Mensch“ war die Maxime von Otto Bartning. Bei dem 1954 eröffneten Neubau der Frauenklinik konnte er sich damit durchsetzen. Die Hauptfassade des Gebäudes weist in den inneren, ruhigen und parkähnlichen Teil des Geländes und nicht repräsentativ nach außen.

Zur viel befahrenen Bismarckstraße hin schirmt das Gebäude mit seinem bogen-förmigen Anbau das gesamte Klinikgelände wie eine Umfassungsmauer ab. Der sechsgeschossige, gegliederte Bau hat nach Süden zum parkähnlichen Innenhof große Fenster und in den oberen, zurückgesetzte Geschossen Balkons. Die Fassade, die die unterschiedlichen Raumtiefen sichtbar macht, war zum Zeitpunkt der Fertigstellung ein Novum. Die  Farbgebung des Gebäudes in Pastellfarben und die Sandsteinverkleidung lassen bereits die 1970er Jahre erahnen.

Im Inneren überwiegt die Funktionalität. Nach mehreren Umbauten ist die Klinik heute nach modernsten Gesichtspunkten ausgestattet. Beispielsweise wirbt das Krankenhaus mit kurzen Wegen, einem perfekt arrangierten Kreißsaal und einem Geburtsraum für Wassergeburten. Auch die anderen Stationen der Frauenklinik genießen einen guten Ruf.

Leider wird die Aussicht auf das parkähnlich angelegte, innere  Klinikgelände etwas getrübt. Das Klinikum insgesamt wird grundlegend modernisiert. An zentraler Stelle entsteht ein mehrgeschossiger Neubau, der bis zum Abriss anderer, älterer Bauten alle Freiflächen belegt. Es ist bereits zum heutigen Tag nicht mehr möglich, das Gebäude in der hier fotografierten Perspektive zu bestaunen.

An den Architekten erinnert die Benennung des Gebäudes als Otto-Bartning-Bau mit einer entsprechende Inschrift am Haupteingang. Das Gebäude steht unter Denkmalschutz.

Otto Bartning (1883-1959) gilt als einer der wegweisenden, deutschen Architekten des frühen zwanzigsten Jahrhunderts. Er leitete von 1926 bis 1930 nach dem Bauhaus-Umzug nach Dessau die Bauhochschule in Weimar. Nach Jahren in Berlin zog er 1950 nach Darmstadt und wohnte im Ernst-Ludwig-Haus auf der Mathildenhöhe. Bekannt wurde er durch zahlreiche Kirchenbauten, insbesondere durch das Notkirchenprogramm der Nachkriegszeit. In Darmstadt realisierte er die Frauenklinik, die Matthäuskirche und mehrere Wohnbauten.

Literatur:
/1/ https://de.wikipedia.org/wiki/Frauenklinik_Darmstadt
/2/ https://de.wikipedia.org/wiki/Otto_Bartning
/3/ http://www.echo-online.de/lokales/darmstadt-historisch/personen/haeuser-die-am-menschen-mass-nehmen_15789942.htm
/4/ http://www.darmstadt-stadtlexikon.de/b/bartning-otto.html
/5/ http://rhein-main.eurokunst.com/otto-bartning-1883-1959-architekt-einer-sozialen-moderne-museum-kuenstlerkolonie-darmstadt/
Die Webseiten wurden am 11.01.2018  abgerufen.

Das Gebäude steht in Darmstadt am Nordrand des Klinikgeländes an der Bismarckstraße.

Download des Textes als PDF: 61_Frauenklinik_Darmstadt_K31-2018