Im Wissenschaftsmuseum Phæno in Wolfsburg lässt sich der Satz des Pythagoras anschaulich erleben. Im Gebäude braucht man ihn allerdings kaum. Der futuristische Bau hat fast keine rechten Winkel.

Die Stadt Wolfsburg ist eine der wenigen Stadtgründungen des 20. Jahrhunderts. Die Siedlung wurde 1938 als „Stadt des KdF-Wagens bei Fallersleben“ neu angelegt. Der schnell wachsende Bedarf an billigen Wohnungen für die Arbeiter, Zwangsarbeiter-Unterkünfte und die Zerstörungen am Ende des Krieges ließen die Träume einer hügeligen Gartenstadt des Architekten Peter Koller zerplatzen. Nach dem Krieg wuchs die Stadt schnell weiter. Die städtebauliche Identität war immer das Werk mit seinen charakteristischen Schornsteinen und Hallen.
1973 erreichte Wolfsburg über 130 000 Einwohner. Eine großstädtische Infrastruktur fehlte noch immer. Italienische Gastarbeiter prägten die Kultur der Stadt. Wolfsburg wurde zur Stadt mit dem höchsten pro Kopf Brutto-Inlandsprodukt in Deutschland. Doch erst in den neunziger Jahren begann eine kulturell geprägte Stadtentwicklung. Es musste etwas Repräsentatives entstehen, um diesen Ansprüchen gerecht zu werden. Im Jahr 2000 legte das VW-Werk mit der Auto-Stadt, einem Autoerlebniszentrum, und dem Stadion vor.
Die Stadt schrieb einen Wettbewerb für einen Museumsneubau auf einem brachliegenden Platz in der Stadtmitte zwischen Hauptbahnhof, Mittellandkanal und VW-Werk aus. Mit dem Phæno genannten Neubau sollte einem breiten Publikum der unterhaltsame Zugang zu Phänomenen der Naturwissenschaft und Technik geebnet werden. Entsprechend avantgardistisch musste die Gebäudehülle ausfallen. Gleichzeitig sollte der Bau das VW-Werk mit dem Stadtzentrum verbinden. Die britisch-iranische Architektin Zaha Hadid setzte sich mit ihrem futuristischen Konzept durch. Der Entwurf sah einen auf zehn konischen Stützen stehenden, monolithischen Baukörper vor, der über dem Platz zu schweben scheint. In den Stützen haben die Zugänge und auch Räumlichkeiten für einen Shop und das Café Platz. Das Museum mit einer eigens dafür konzipierten interaktiven Wissenschaftsausstellung findet im oben liegenden, großen Baukörper seine Heimstatt.
Für die Herstellung des amorphen, monolithischen Baus musste eine neue Technologie zum Einsatz gebracht werden. Da in den feingliedrigen Trägerschalungen das Rütteln des Betons nicht möglich war, wurde erstmals bei einem solchen Bau ein selbstverdichtender Flüssigbeton eingesetzt. Der musste extra dafür zugelassen werden. Der Bau startete also bereits mit einem Experiment. Leider erforderten Unsicherheiten in der Betonmischung bereits kurz nach Fertigstellung eine aufwendige und kostentreibende Sanierung.
Der Bau ist kein vollständiger Monolith. Die trapezartigen Fenster befinden sich in einer feinst eingepassten Vorhängefassade. Das Dach ist eine Stahlkassettendecke. Trotzdem wirkt der Bau wie aus einem Stück, wie ein gerade gelandetes UFO.
2005 öffnete nach vier Jahren Bauzeit das Museum. Seither ist es Anziehungspunkt eines naturwissenschaftlich begeisterten Publikums und von Architekturfans aus aller Welt.
Zaha Hadid (1950-2016) zählt zu den innovativsten Architektinnen der letzten Jahrzehnte. Immer und immer wieder brach sie mit Konventionen. Atemberaubende Formen, schiefe Wände und spitze Winkel zeichneten ihre Entwürfe aus.
Mit dem Bau des Science Centers Phæno realisierte die britisch-iranische Architektin im Zusammenarbeit mit dem Lörracher Büro Mayer Bährle ihr größtes Projekt in Deutschland. Die eigenständige Formensprache des kühnen Baus verschaffte ihr weltweite Anerkennung.
Literatur:
/1/ https://de.wikipedia.org/wiki/Phæno
/2/ http://www.phaeno.de/ueber-uns/architektur/
/3/ https://www.goruma.de/Wissen/KunstundKultur/Architekturdes20und21Jahrhunderts/Europa/Phaeno_Science_Center.html
/4/ https://www.beton.org/inspiration/architektur/objekt-details/phaeno-science-center-in-wolfsburg/
/5/ http://www.ndr.de/ratgeber/reise/braunschweiger_land/Wissenschaftsmuseum-zum-Mitmachen,phaenowolfsburg101.html
/6/ Seraina Jenal, Laura Kopps, Das Phæno in Wolfsburg von Zaha Hadid, http://wiki.arch.ethz.ch/asterix/pub/Caad0506st/AiTeamWir/caad2.pdf
Die Webseiten wurden am 20.11.2017 abgerufen.
Das Gebäude steht in Wolfsburg, Willy-Brandt-Platz 1.
Download des Textes als PDF: G19_Phaeno_Wolfsburg_K30-2017