In der Architektur des Bonem-Hauses in Jerusalem verschmelzen die kubische Sachlichkeit des Bauhaus-Stils mit mediterranen und arabischen Elementen. Wenige Details machen das schlichte Gebäude einzigartig.

Das Jahrtausende alte Jerusalem ist reich an markanten Architekturen. Das Ensemble der Jerusalemer Altstadt mit Felsendom, al-Aqsa-Moschee, Grabeskirche und dem jüdischen Viertel zieht jährlich Tausende Touristen an, die nicht nur wegen der heiligen Stätten oder der ereignisreichen Geschichte kommen. Auch die Architektur ist beeindruckend.

Da ist es schon erstaunlich, dass es gerade ein einfaches Bauhaus-Gebäude auf die Top-10-Hitliste der interessantesten Architekturen geschafft hat/5,6/. Das 1935 fertiggestellte Wohnhaus für den aus Deutschland emigrierten jüdischen Arzt Dr. Paul Bonem ist auf dem ersten Blick ein unscheinbarer Kasten. Die Formensprache der ineinander gesetzten einfachen Quader macht den Bauhaus-Stil eindeutig erkennbar. Ein Vergleich zum Bauhaus-Gebäude in Dessau ist frappierend.

Doch der Architekt Leopold Krakauer beließ es nicht bei den Vordergründigkeiten. Krakauer war bereits 1924 aus Wien nach Israel gekommen und war einer funktional geprägten Architektur sehr aufgeschlossen. Er hatte aber auch die lokale mediterrane und arabische Architektur kennengelernt.

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Bonem-Haus in Jerusalem. Inneinander versetzte kubische Baukörper bilden die Grundform des Gebäudes.

So ist es nicht verwunderlich, dass Krakauer den Bau durch lokal beeinflusste arabische und mediterrane  Elemente ergänzt. Dafür muss man schon genauer hinschauen.

Die Höhenstaffelung des Baus folgt dem Verlauf des Hangs. Der höchste Gebäudeteil steht oben, die niedrigeren hangabwärts. Das ist eine Reminiszenz an die arabischen Terrassenbauten, wie sie zum Beispiel in Ost-Jerusalem oder in Abu Gosh zu finden sind. Die kleinen Fenster und die massive Überdachung der Balkone entstammen auch der lokalen Architektur und haben im heißen Klima bewährte Vorteile.

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Bonem-Haus in Jerusalem. Im der Gesamtansicht ist die Höhenstaffelung des Gebäudes gut zu erkennen.

Eine Besonderheit arabischer Bauweise sind auch die Balkongeländer mit verstellbaren Lamellen. Durch die Lage im Obergeschoß und die Stellung der Lamellen konnte man die Balkone von außen nicht einsehbar gestalten. Dadurch war es möglich, dass sich die arabischen Frauen auf dem Balkon unverschleiert im Freien aufhalten konnten. Für die jüdischen Bewohner war diese Besonderheit natürlich unerheblich.

Alles in allem fügt sich die Symbiose von kubischer Form und funktionellen Details zu einem ausgewogenen, skulpturalen Bau, der bis heute an seiner Modernität nichts eingebüßt hat.

Die Familie Bonem bewohnte das Haus bis in die fünfziger Jahre. 1967 wurde das Gebäude an die Bank Leumi, eine israelische Großbank, verkauft. Durch den Umbau zum Bankhaus wurden Veränderungen vorgenommen. Der Patio im Eingangsbereich wurde durch eine niedrige Schalterhalle ersetzt. Die abgestufte Umfassungsmauer musste einem breiten Zugang weichen. Im Jahr 2007 wurde der Bau einschließlich der Veränderungen denkmalgerecht renoviert.

Der Architekt und Maler Leopold Krakauer (1890-1954) stammt aus Wien. Er emigrierte 1924 nach Palästina, nachdem er dort in einem Architekturwettbewerb erfolgreich war. Er entwarf in Jerusalem, Tel Aviv und Haifa zahlreiche Gebäude. Am Ende der 1920er Jahre war er einer der bekanntesten Architekten in Israel. Inspiriert wurde er vor allem vom Wiener Jugendstil-Architekten Adolf Loos.

Literatur:
/1/ http://yeke.gr.cet.ac.il/das-bonem-haus
/2/ http://aerzte.erez-israel.de/bonem/
/3/ https://en.wikipedia.org/wiki/Leopold_Krakauer
/4/ Ulrich Knufinke, Bauhaus: Jerusalem, Bauhaus-Center Tel Aviv-Yafo, 2010
/5/ https://www.israel21c.org/the-top-10-must-see-buildings-of-israel/
/6/ https://theculturetrip.com/middle-east/israel/articles/top-10-places-in-jerusalem-for-architecture-lovers/
Die Webseiten wurden am 02.05.2017  abgerufen.

Das Gebäude steht in Jerusalem an der  Ramban Straße 21, Ecke Arlozorov Straße

Download des Textes als PDF: T03_Bonem-Haus_Jerusalem_K18-2017