„Schachteln, Schuhkartons, Würfelhusten“ – Schimpfwörter für Bauhausarchitektur gibt es viele. Das Shell-Haus in Berlin kann sich davon absetzen und gilt seit den 1930er Jahren als eines der schönsten Hochhäuser von Berlin.

Die Architektur der „Neuen Sachlichkeit“ war von Beginn an umstritten. Als das Dessauer Bauhaus Ende der 1920er Jahre verstärkt unter Druck kam, glaubte man schon, dass die historisierende Architektur der aufkommenden NS-Zeit gewonnen hatte.
1929 schrieb die Rhenania-Ossag Mineralöl-Werke AG, eine Tochterfirma des Shell-Konzerns, einen Wettbewerb für den Bau ihres neuen Firmensitzes in Berlin aus. Den Wettbewerb gewann der Düsseldorfer Architekt Emil Fahrenkamp. Er war durch eine Reihe von Industriegebäuden und durch gute Kontakte in die rheinisch-westfälische Industrie bekannt geworden. Fahrenkamp stand insbesondere der politischen Prägung der Architektur des Bauhaus distanziert gegenüber. In seiner Formensprache blieb er daher meist traditionell und angepasst.
Wesentlich fortschrittlicher agierte Fahrenkamp in Bezug auf die Bautechnologie. Die Möglichkeiten der bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts in USA aufkommenden Stahlskelettbauweise faszinierten ihn. Es war die Technologie, mit der in New York und Chicago die Hochhäuser wie Pilze aus dem Boden schossen.
Nach einem aus Geldmangel des Auftraggebers gescheiterten Versuch in Aachen sah Fahrenkamp nun die Möglichkeit, die Technologie an einem Hochhaus in Berlin umzusetzen. Es liegt in der Widersprüchlichkeit seiner Person, dass er sich bei der Gestaltung des Gebäudes an den Prinzipien des von ihm so ungeliebten Bauhauses orientierte und damit dem Stil der Neuen Sachlichkeit an zentraler Stelle in Berlin ein Denkmal setzte.
Der Bau ist ein um einen Innenhof im Viereck gruppiertes Gebäude. Auf der Seite zum Landwehrkanal ist die Fassade gestaffelt und steigt von 6 auf 11 Etagen an. Horizontal umlaufende Fensterbänder gliedern den Bau. Die kleinen Simse über den Fenstern und die vertikale Glasfront am Treppenhaus, die Form der Fenster und die dezentrale Positionierung der Eingänge sind alles typische Stilmerkmale der Bauhausarchitektur.
Durch die Proportionen und die wellenförmigen Abrundungen der gestaffelten Fassade wird das Gebäude einzigartig.

Technisch ist der Bau ein Gerüst aus Stahlträgern. Die Fassade hat keine tragende Funktion und ist mit leichten Gasbetonsteinen gemauert. Dieser Baustoff war 1924 in Schweden erfunden worden. Als Wandverkleidung dienen Travertinplatten aus dem italienischen Tivoli.
Mit viel Beachtung wurde der Bau 1932 eröffnet. Er galt damals als eines der bedeutendsten Bürobauten der Weimarer Republik. Bereits 1934 belegte das Militär das Gebäude. Das Oberkommando der Marine zog ein. Während des Krieges wird die Tiefgarage des Baus ein Lazarett. In den letzten Kriegstagen wird das Gebäude bei einem Fliegerangriff getroffen. Die oberen Etagen brennen aus.
Nach Kriegsende zieht der Energieversorger BEWAG ins Gebäude und kauft den Bau nach der ersten Instandsetzung. Von 1997 bis 2000 wird der Bau denkmalgerecht saniert. Unter anderem musste für die Erneuerung der Fassadenplatten der seit Jahrzehnten stillgelegte Steinbruch in Tivoli wieder aktiviert werden. Nach dem Verkauf an einen Immobilien-Investor ist das Gebäude an das Verteidigungsministerium vermietet.
Emil Fahrenkamp (1885-1966) galt in den 1920er Jahren als einer der angesehensten Architekten Deutschlands und war modernen Tendenzen im Bau sehr aufgeschlossen. Er gilt als Pionier des Stahlskelettbaus. 1937 löste er den Darmstädter Peter Grund als Direktor der Düsseldorfer Kunstakademie ab. Nach dem Krieg zog er sich aus der Öffentlichkeit zurück und arbeitete als freier Architekt.
Literatur:
/1/ https://de.wikipedia.org/wiki/Shell-Haus
/2/ http://www.visitberlin.de/de/ort/shell-haus
/3/ http://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/das-shell-haus-am-reichpietschufer-wurde-fuer-80-millionen-mark-restauriert/139830.html
/4/ https://de.wikipedia.org/wiki/Emil_Fahrenkamp
Die Webseiten wurden am 24.02.2017 abgerufen.
Das Gebäude steht in Berlin Tiergarten, Reichpietschufer 60 und ist nicht öffentlich zugänglich.
Den Text als PDF downloaden: G09_Shell-Hochhaus_Berlin_K17-2017