Die Frankfurter Großmarkthalle hat eine wechselvolle Geschichte. Jetzt bekam die einst größte freitragende Stahlbetonhalle der Welt eine neue Funktion und einen dominanten Begleiter, den Turm der Europäischen Zentralbank.

Es ist ein ungleiches Paar: Die fast 90 Jahre alte Großmarkthalle im Stil der Moderne neben dem segmentierten Glaskasten des Hochhauses der Europäischen Zentralbank. Die funktionale Bauhaus-Ästhetik der 220 Meter langen Halle ergänzt durch einen 185 Meter hohen Turm im Stile des Dekonstruktivismus, dem österreichischen Architekturbüro Coop Himmelb(l)lau gelang diese Symbiose und damit auch die Wiederbelebung eines Frankfurter Baudenkmals.

Die Markthalle am Frankfurter Osthafen war einst das größte Gebäude der Stadt. Nach Plänen des Architekten und Frankfurter Stadtbaumeisters Martin Elsaesser wurde der Zweckbau von 1926 bis 1928 als Großhandelsplatz für Gemüse, Obst und Blumen errichtet. Die gigantischen Ausmaße der im gesamten Inneren stützenfreien Halle und der Lichteinfall durch die langen Fensterfronten erzeugten das Gefühl einer großen Kathedrale. Ob der Bau deshalb in Frankfurt den Namen „Gemieskerch“ (Gemüsekirche) bekam oder weil der Architekt Elsaesser bisher vor allem durch Kirchenbauten bekannt wurde, sei dahingestellt. Einen Turm hatte die „Gemieskerch“ nicht, dafür aber einen mehrgleisigen Bahnanschluss.

Architektonisch ist die Halle in vieler Hinsicht richtungsweisend. Auch ohne direkte Bauhaus-Vorgeschichte stattet der Architekt Martin Elsaesser das Hallengebäude und die beiden Kopfbauten mit den typischen Merkmalen des Baustils der Moderne aus: Quaderförmige Baukörper, die dominierende, sich wiederholende Rechteckform der Fenster und Verzierungen sowie die Trennung von Fassade und Stahlbetontragwerk in der Halle.

In den beiden achtstöckigen Kopfbauten wiederholt sich rechteckige Gliederung. Eine Besonderheit sind die regalartig verglasten Treppenhäuser. In diese Form sind sie programmatisch für zahlreiche weitere Bauten im Bauhausstil.
Die Halle ist auch ingenieurtechnisch bemerkenswert. Die im Inneren sichtbaren, trapezförmigen Stahlbetonstützen tragen in 17 Meter Höhe tonnenförmige Dachelemente. Diese Stahlbetonhalbschalen sind nur gut 7 Zentimeter dick. Das ist praktizierter Leichtbau mit Beton.
Die Halle hatte einen befahrbaren Keller und einen eigenen Verladebahnhof. Dieser Bahnhof war es auch, der den unrühmlichen Teil der Geschichte der Halle mit sich brachte. In der Nazi-Zeit wurden in den Kellern die Deportationen der jüdischen Bevölkerung Frankfurts durchgeführt. Heute erinnert eine Gedenkstätte an diese Verbrechen.
Die Geschichte als Markthalle endete 2004 mit dem Umzug des Gemüsemarktes nach Kahlbach. Nach umfangreicher und anfangs umstrittener Renovierung dient die Halle seit 2015 als modernes Konferenzzentrum und Eingangsbau für das neue Hochhaus der EZB.
Der Architekt Martin Elsaesser (1884-1957) hat in Stuttgart und München studiert und war von 1925 bis 1932 Leiter des Frankfurter Hochbauamtes. Er ist durch zahlreiche moderne Kirchenbauten bekannt geworden. Das österreichische Büro Coop Himmelb(l)au ist ein Vorreiter des Dekonstruktivismus. Ihre Formensprache besteht aus einfachen Tetraedern, die geschnitten, verdreht und versetzt wieder zusammengefügt sind. Im Inneren ist das Stahlfachwerk gut zu erkennen, das die zwei Turmteile verbindet.
Literatur:
/1/ https://de.wikipedia.org/wiki/Großmarkthalle_(Frankfurt_am_Main)
/2/ http://frankfurt-interaktiv.de/frankfurt/wirtschaft/grossmarkt/gemieskerch.html
/3/ https://www.ecb.europa.eu/ecb/premises/intro/location/html/historic.de.html
/4/ http://www.deutschlandradiokultur.de/frankfurter-grossmarkthalle-das-comeback-der-gemuesekirche.2165.de.html?dram:article_id=301061
/5/ http://www.coop-himmelblau.at
/6/ Die Großmarkthalle – Architektur, Entstehung und Sanierung, Hrsg. EZB, Download von www.ecb.europe.eu
Die Webseiten wurden am 06.02.2017 abgerufen.
Der Gebäudekomplex steht in der Sonnemannstraße in Frankfurt am Main.
Ein toller Beitrag. Danke!
Einer alten Frankfurterin in Husum geht da richtig das Herz auf.
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