Nach Plänen von Otto Bartning realisierte der Darmstädter Bauverein 1955/56 mitten in Darmstadt eine zweireihige Stadtsiedlung mit einem parkartigen angelegten Innenhof. Die einfachen Wohnungen boten für die Zeit eine sehr hohe Wohnqualität.

Seit dem Bau der industriell hergestellten Reihenhaussiedlungen in Dessau-Törten oder Karlsruhe-Dammerstock Ende der 1920er Jahre mussten sich die Bauhaus-Architekten mit dem Vorwurf der Zwei-Klassen-Architektur auseinandersetzen: Edle Meistervillen für die Gutbetuchten und billigste Häuser niedriger Bauqualität für das einfache Volk. Die Traditionen der „Gartenstadt“, zu Beginn des letzten Jahrhunderts als Modellbeispiel für den modernen Siedlungsbau entwickelt, würden der allgemeinen Wohnungsnot und dem Kostendruck geopfert. Dabei müssen gerade die Wohnbauten doch über viele Jahrzehnte Bestand haben.

Im kriegszerstörten Darmstadt bekam der Architekt Otto Bartning vom Darmstädter Bauverein den Auftrag, das Gebiet südlich der Nieder-Ramstädter Straße als Wohngebiet neu zu bebauen. Bartning war 1950 nach Darmstadt auf die Mathildenhöhe gezogen. Von hier aus betrieb er maßgeblich die Wiederbelebung des Deutschen Werkbundes, auf den auch die Ideen der Gartenstadt zurückgehen.
Bartning war zusammen mit seinem Bürokollegen Otto Dörzbach mit dem Bau der Frauenklinik, einem der Darmstädter Meisterbauten, in der Stadt bekannt geworden. Bartning war es auch, der in den Fünfzigern die Auseinandersetzung mit dem damaligen Stadtbaudirektor Peter Grund gegen die weitere Durchschneidung der Innenstadt mit repräsentativen Magistralen führte.

Der Gebäudekomplex in der Nieder-Ramstädter Straße ist ein nach Süden hin offener Wohnhof, der in zwei Reihen von dreistöckigen Etagenwohngebäuden umschlossen wird. Der Innenhof ist parkähnlich angelegt und verkehrsberuhigt. Die Hausaufgänge sind nach außen zur Straße hin gerichtet. Im Innenhof erinnert nichts an die umgebende Großstadt. Die Wohnungen sind klein und einfach ausgestattet, boten aber den für die Zeit fortschrittlichen Standard. Auf die Bauhaus-Architektur nimmt Otto Bartning mit dem von ihm verfolgten gemäßigten Konzept nur durch die abgerundeten Balkone und die Fensterbänder auf der Straßenseite Bezug. Diese Zurückhaltung war auch ein Beitrag zur Überwindung von Akzeptanzproblemen der Bauhaus-Architektur in der damaligen Zeit.
Der Architekt Otto Bartning zählte zu den führenden Vertretern des Modernen Bauens in Deutschland. Er ist einer der wesentlichen Ideengeber für die Gründung des Bauhauses in Weimar 1919 und wird nach dem Umzug nach Dessau der Leiter der in Weimar verbliebenen Bauhochschule. Bei seinen Bauten bleibt er gemäßigt und vermeidet die „polarisierende Radikalität des Bauhauses“ /2/. Bekannt wird er durch zahlreiche Kirchenbauten und das nach dem Krieg durchgeführte Notkirchen-Programm.
Literatur:
/1/ http://www.darmstadt-stadtlexikon.de/b/bartning-otto/
/2/ www.architekten-portrait.de/otto_bartning/
/3/ https://de.wikipedia.org/wiki/Otto_Bartning
/4/ http://www.monumente-online.de/de/ausgaben/2016/2/Otto_Bartning_Kirchen.php
/5/ https://de.wikipedia.org/wiki/Darmstädter_Meisterbauten
/6/ http://www.echo-online.de/lokales/darmstadt-historisch/personen/haeuser-die-am-menschen-mass-nehmen_15789942.htm
Die Webseiten wurden am 12.01.2017 abgerufen.
Die Gebäude befinden sich in Darmstadt, Nieder-Ramstädter-Straße/Hochstraße
Download des Textes als PDF: D05_Darmstadt_Wohnhof_Niederramstaedter-Str_K10-2017