Konzeptionelle Genialität gepaart mit Konsequenz, der Aufbruch in die Moderne war seiner Zeit weit voraus und hatte nicht nur in Dessau Akzeptanzprobleme. Der Gebäudekomplex ist nach 80 Jahren immer noch Avantgarde.

Bauhausgebäude in Dessau
Die Bauhausgebäude in Dessau zeigen eine klare Formensprache. Doch auch die technische Realisierung war der Zeit weit voraus.

Es wurde nicht abgerissen. Aber es war nahe dran. Der nach den Plänen von Walter Gropius 1925/26 auf die grüne Wiese in Dessau erbaute Gebäudekomplex war das Symbol der Umsiedlung der Bauhausschule von Weimar in die Anhaltinische Industriestadt. Hier sollte die Kombination aus Handwerk und Atelier, aus Gewerbe und Kunst, auch in der Architektur manifestiert werden. Praktisch und dem Menschen zugewandt, so sollten die Regeln der neuen Gestaltung und Architektur entwickelt werden; frei von Schnörkeln und elitären Metaphern wollte man die Zukunft gestalten. Das war nahe an kommunistischen Idealen und weit voraus für die Zeit der ausgehenden zwanziger Jahre. Es ergibt sich von selbst, dass die Konsequenz der Umsetzung der Architektur von Walter Gropius nicht von jedem akzeptiert wurde, auch wenn das Praktische gerne angenommen wurde. Der Gebäudekomplex beinhaltet eine Gewerbeschule, das Atelierhaus, ein Unterkunftsgebäude, eine Mensa und einen Theatersaal.

Technisch ist das Gebäude ein Konzeptbau der Moderne. Ein auf unverputzten Pfeilern ruhendes Stahlbetontragwerk erlaubt durchgehende Geschossplatten, die ohne die tragende Funktion von Zwischen- und Außenwänden auskommen. Damit wurde die riesige hinterlüftete Glasvorhangfassade möglich, die in dieser Größe damals einmalig war und bis heute eine faszinierende Wirkung hat. Diese Bauweise wurde zum Prinzip moderner Hochhausarchitektur. Die Konstruktion ist einfach und erlaubt eine hohe Flexibilität in der Nutzung.

Stilprägend wurde jedoch etwas ganz anderes. Es ist die Formensprache dieser Architektur. Es dominiert das Rechteck und das waagerechte oder senkrechte Band, selten das Quadrat und niemals das Dreieck. Es gibt keine schrägen Linien. Quaderförmige Baukörper mit wiederholenden Rechtecken als Fenster, Türen oder Lichtbänder prägen die Fassaden. Die Kombination von Quadern unterschiedlicher Größe lassen die Architektur wie aus dem Baukasten wirken.

Das flache Dach ist nur eine Konsequenz dieser Formensprache. Es gibt keine Ornamente und keine aufgesetzten Verzierungen. Die äußere Farbgestaltung ist schlicht, großflächig und meist dominiert weiß. Alles ist funktional. Die Farbgestaltung im Inneren unterstreicht diese Funktionalität durch eine signalartige Nutzung der Grundfarben rot, gelb und blau, beispielsweise für Türen, Handläufe und funktionale Gebäudeteile, wie Treppenhäuser.

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Die Anordnung quaderförmiger Baukörper mit rechteckigen Fenstern und flachem Dach wird prägend für die Architektur der Moderne.

Die Architektur erscheint als ein Bruch mit der Vergangenheit, die von Klassizismus mit repräsentativen Säulen und vom Jugendstil mit überbordenden floralen Ornamenten geprägt war. Es war für die damalige Zeit eine Provokation.

Es sollte nur wenige Jahre Bestand haben. Der politische Druck nahm zu. Bereits 1928 verließ Walter Gropius das Bauhaus.  In der Folge unter der Leitung von Hannes Meyer und später Ludwig Mies van der Rohe konnte man sich zwar die Eigenständigkeit bewahren, jedoch nicht verhindern, dass das Institut Bauhaus in Dessau im September 1932 geschlossen und in der Folge aufgelöst wurde.

Der dominante Bau entging knapp seinem Abriss. Um die städtebauliche Dominanz des weißen, freistehenden Baukörpers zu brechen, wurden in den Folgejahren die Flächen um das Areal zügig und eng bebaut. Auf Grund der Funktionalität wurde der Gebäude-komplex auch während der Nazizeit zu Ausbildungszwecken genutzt. Während eines schweren Luftangriffs auf Dessau gegen Ende des Krieges 1945 wurde das Hauptgebäude von einer Brandbombe getroffen und brannte in großen Teilen aus. Insbesondere die Glasfassade wurde fast vollständig zerstört.

Nach dem Krieg erfolgte eine Notreparatur. Die Glasfassade wurde jedoch nicht wieder hergestellt. Auf einer aufgemauerten Brüstung setzte man gewöhnliche Fenster ein. Der Komplex wurde als Berufsschule und zu Verwaltungszwecken genutzt.  Mit dem Bauhauserbe tat man sich auch in den Anfangszeiten der DDR schwer. Erst 1976 wurde damit begonnen, das originale Erscheinungsbild wieder herzustellen.

Von 1996 bis 2006 erfolgte eine umfassende Sanierung, weitgehend nach den Plänen aus den 1920er Jahren. Auch im Inneren blieb man so nah wie möglich an der originalen Ausstattung und stellte auch die von Hinnerk Scheper entworfenen Farbgebung wieder her. Seit 2009 können die Gebäude wieder fast im Originalzustand besichtigt werden. Sie beherbergen heute die Stiftung Bauhaus Dessau, einen Ausstellungsbereich, sowie Räume der Hochschule Anhalt.

Das Staatliche Bauhaus wird von Walter Gropius 1919 als Kunstschule in Weimar  gegründet. Schnell verschafft sich das Institut mit der Kombination aus Kunst und Handwerk einen Ruf als Heimstätte der Avantgarde auf vielen Gebieten der freien und angewandten Kunst und des Designs. 1926 erfolgt der Umzug nach Dessau in das von Walter Gropius konzipierte neue Gebäude, das technisch, gestalterisch und auch vom Nutzungskonzept seiner Zeit weit voraus war. Das Bauhaus existierte bis 1932/33. Erst seit 2009 kann das Gebäude wieder in seiner ursprünglichen Strahlkraft besichtigt werden.

Literatur:
/1/ Boris Friedewald, Bauhaus, Prestel Verlag, München, Berlin, London, New York, 2009, Seite 33ff
/2/ Magdalena Droste, Bauhaus 1919-1933, Taschen GmbH, 2015,  Seite 44ff
/3/ https://de.wikipedia.org/wiki/Bauhaus_Dessau, abgerufen am 18.09.2016
/4/ http://www.bauhaus-dessau.de/das-bauhausgebaude-von-walter-gropius.html, abgerufen am 18.09.2016
/5/ Gespräche und Mitteilungen während der Führung im Bauhausgebäude in Dessau im Juli 2016

Der Gebäudekomplex steht in der Gropiusallee 38 in Dessau-Roßlau und kann besichtigt werden.

Text als PDF downloaden: B01_Bauhausgebaeude_Dessau_K1-2016