Die thüringische Landeshauptstadt Erfurt ist für ihre mittelalterliche Fachwerk-Architektur, die reich geschmückten Patrizierhäuser und den Domplatz weltbekannt. Doch auch die Bauhaus-Zeit hat ihre architektonischen Spuren hinterlassen.

Erfurt hat einige Superlative aufzuweisen. Die Krämerbrücke ist die einzige historische mit Wohn- und Geschäftshäusern überbaute Brücke nördlich der Alpen. Im Erfurter Dom hängt die größte freischwingende mittelalterliche Glocke der Welt. Die Altstadt mit zahlreichen Fachwerkgebäuden und reich geschmückten Patrizierhäusern ist weithin bekannt.

In einem solchen historisch geprägten Ambiente hat es die Architektur der Moderne natürlich nicht leicht. Die Stadt Weimar, in der Walter Gropius 1919 die Bauhaus-Schule gegründet hat, liegt nur knapp 25 km entfernt. Hat die weltweite Strahlkraft der Moderne bereits an der ersten Landesgrenze halt gemacht. Moment mal, Landesgrenze? Ja, in den zwanziger Jahren war Weimar die thüringische Hauptstadt, Erfurt war bis 1945 preußische Provinz. Die großen Architekten der Bauhauszeit zog es nach Dessau, dann nach Berlin, Frankfurt und Stuttgart. Erfurt stand da nicht mit auf der Liste. Trotzdem ließen sich vor allem die lokalen Kaufleute nicht lumpen und holten die Moderne auch nach Erfurt. Heute sind diese Gebäude schmuck restauriert und fügen sich mitten in der Hauptgeschäftsstraße nahezu unauffällig ins Stadtbild ein. Eine kleine Bildergalerie zeigt uns die Highlights des modernen Erfurt am Ende der 1920er Jahre.

Das markanteste Gebäude des Neuen Bauens ist das Haus des „Deutschen Handlungsgehilfen-Verbandes” (DHV-Haus) mit einem vierstöckigen, vorgesetzten Runderker. Das Haus wurde 1929 fertiggestellt und war mit 21 Metern Höhe das erste „Hochhaus“ in der Stadt. Architekt war der Erfurter Heinrich Herrling. Heute ist das Bürohaus integriert in einen  Wohnhaus- und Geschäftskomplex (Bild oben).

Den hochumstrittenen Anfang zum Neuen Bauen machte die Stadt selbst. Nach Entwürfen der Erfurter Bauräte  Ludwig Boegl und Johannes Klaß errichtete die Stadt 1929 ein 6-stöckiges Bankgebäude mitten in der Hauptgeschäftsstraße. Ein glatte Kalkstein-Fassade und regelmäßige Fensterbänder prägen das Erscheinungsbild. Zwei Wandreliefs als Fassadenschmuck zeigen als Thema Verschwendung und Sparsamkeit.  Das Gebäude, das im Inneren modern umgestaltet wurde, ist heute eine Filiale der Sparkasse.

Konsequent im Stil des Neuen Bauens zeigt sich das Geschäftshaus des Textilhändlers Schellhorn. Eine glatte Fassade ohne Zierrat mit durchgehenden Fensterbändern prägen den Bau. Es ist das Hauptwerk des Erfurters Heinrich Herrling und wurde 1930 fertiggestellt.

Ein Kleinod der Moderne ist das Haus des Tabakhandlung Bessler. Der Runderker im zweiten Obergeschoß und das lange vertikale Fensterband am Treppenhaus sind typische Merkmale der Architektur der damaligen Zeit. Der Architekt dieses Baus ist nicht bekannt.

Im Schatten der vom Bauhaus geprägten Städte im Osten Thüringens entwickelte sich in den 1920er Jahren in Erfurt nur eine kleine, lokale Szene mit moderner Architektur. Prägend war der Erfurter  Architekt Heinrich Herrling (1883-1956) und die damaligen Stadtbauräte  Ludwig Boegl und Johannes Klaß .
Heute sind die wenigen modernen Bauten der Bauhauszeit in Stand gesetzt und in neuer Nutzung ins Stadtbild integriert.

Literatur:
/1/ https://www.erfurt.de/ef/de/erleben/besuch/bauhaus100/baudenkmale/index.html
/2/ http://www.erfurt-web.de/Bauhaus_Denkmal_Sparkasse_Anger
/3/ https://de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_Herrling
/4/ https://de.wikipedia.org/wiki/Erfurt
Die Webseiten wurden am 08.07.2019 abgerufen.

Die Gebäude stehen in Erfurt , Am  Anger 26 und 81, Neuwerkstr. 2 und Predigerstr. 20.

Download der Printversion: 111_Bauhaus_in_Erfurt_K56-2019