Als die Stadtväter in den Neunzigern „Chemnitz – Stadt der Moderne“ auf die Ortsschilder schrieben, dachten viele, jetzt haben die ganz abgehoben. Der Slogan „c-the unseen“ für das Kulturhauptstadtjahr 2025 fand noch weniger Freunde.
Dampfloks, Socken, Strickmaschinen, … so könnte ein Rapper seinen Song über Chemnitz beginnen. Aber wer interessiert sich heute noch für Strickmaschinen. Und so gerät Geschichte doch schnell in Vergessenheit. Als die Firma Hartmann noch stolze Dampflokomotiven auf die Schienen stellte und in der ganzen Stadt die zahlreichen Schornsteine der aufblühenden Maschinenbau-Industrie rauchten, hieß die Stadt im Volksmund „Ruß-Chams“. Ein Schleier in dunklem Grau legte sich über die Straßen und verdeckte die Schönheiten dieser Stadt. Man fuhr lieber nach Dresden oder Leipzig, um Kultur zu bestaunen.

Es wurde einfach nicht gesehen, das Chemnitz auch ein Opernhaus hatte und die Städtische Kunstsammlung eine der am besten bestückten kommunalen Galerien der damalige Zeit war. Ein Wegbereiter des Expressionismus, der Maler Karl Schmidt-Rottluff, kam aus Chemnitz. Und die Stadt mauserte sich zu einem Eldorado der modernen Architektur. Erich Mendelsohn baute 1930 das Kaufhaus Schocken, das sieht heute noch aus, wie gerade frisch gebaut. Eines der ersten Parkhäuser in Deutschland, die Hochgarage, entstand 1928 auch in Chemnitz.



Der Stadtbaurat Fred Otto errichtete 1930 für die Chemnitzer Sparkasse eines der erste Hochhäuser der Stadt im Stil der Neuen Sachlichkeit. Das Gebäude der Ortskrankenkasse in der Müllerstraße von Curt am Ende ist ein Meisterwerk des funktionalen Bauens. Aber auch in der Industriearchitektur ließ man sich nicht lumpen. Der Strumpfmaschinenbauer Schubert & Salzer errichtete für sein Werksgelände in der Annaberger Straße 1927 den markanten Uhrturm, heute eines der Wahrzeichen der Stadt. Architekt war der Chemnitzer Erich Basarke. Der Stil der Moderne hat das Stadtbild von Chemnitz entscheidend geprägt.


Nach den schweren Zerstörungen im Krieg erholte sich die Stadt nur langsam. Die Industrie wuchs wieder. Doch die zahlreichen Häuser mit Kohleheizung sorgten nicht dafür, dass „Ruß-Chams“ weniger grau wurde.
Sozialistische Großstadt hieß das neue Ziel. Umbenannt in Karl-Marx-Stadt sollte ein modernes Stadtzentrum entstehen. Es wurde viel gebaut. Vielleicht ist das Hochhaus des Kongress-Hotels und die Stadthalle ein beredtes Zeugnis dafür.
Das Karl-Marx-Monument, im Volksmund Nischel genannt, war nun das gewollte Wahrzeichen der Stadt. Es entstanden aber auch andere bemerkenswerte Bauten, wie der 1968 fertiggestellte Busbahnhof, es war damals der modernste in Europa.


Nach der deutschen Wiedervereinigung gab es im Chemnitzer Stadtzentrum noch viel Platz für Neues. So konnte das Architekturbüro Helmut Jahn aus Chicago für den Karstadt-Konzern ein modernes Kaufhaus errichten. Der Glaspalast steht zur Zeit leer und wird jetzt zum Verwaltungszentrum umgebaut.

Ob die Ernennung zur Kulturhauptstadt Europas 2025 die Sichtbarkeit von Chemnitz erhöht? Wir werden sehen.
Die Stadt Chemnitz ist eine sächsische Industriestadt. Der industrielle Aufstieg begann mitte des 19. Jahrhunderts mit Lokomotivbau, Werkzeug- und Textilmaschinen. Um 1900 war Chemnitz bereits Großstadt und erreichte die höchste Pro-Kopf-Wertschöpfung aller deutschen Städte. In den 1930er Jahren wurde mit Wanderer und der Auto-Union der Fahrzeugbau zum bestimmenden Industriezweig. Zu DDR-Zeiten waren etwa 20 % der Industrieproduktion des Landes in Karl-Marx-Stadt konzentriert. Beginnend mit den 1990er Jahren wurden viele der alten Industriegebäude zu Museen und Kulturstätten umgebaut. 2025 wurde Chemnitz Kulturhauptstadt Europas.
Literatur:
/1/ https://de.wikipedia.org/wiki/Chemnitz
/2/ https://chemnitz2025.de/
/3/ https://chemnitz-gestern-heute.de/curt-am-ende/
/4/ https://www.chemnitz.de/de/unsere-stadt/geschichte/chemnitzer-tuerme/uhrturm_firma_schubert-salzer
/5/ https://de.wikipedia.org/wiki/Omnibusbahnhof_Chemnitz
/6/ https://jahn.studio/work/galeria-kaufhof/
Die Webseiten wurden am 07.06.2025 abgerufen.
Die genannten Gebäude stehen in Chemnitz im Stadtzentrum, der Uhrturm gehört zum heute Wirkbau genannten Komplex in der Annaberger Straße und das Hörsaal-Zentrum der TU steht an der Reichenhainer Straße.
Download der Printversion: 203_Chemnitz_K102-2025
Hallo Volker,
vielen Dank für den neuen Bericht. Ich war einmal in Chemnitz, schon eine Weile her, aber es hat mir so ‚mißfallen‘, daß ich sagte ’nie wieder’. Vielleicht hat es über die Zeit doch etwas dazu gewonnen?
Als Dank für Deinen Bericht schicke ich Dir ein Photo aus Riga, wir sind gerade von unserer Radtour von Vilnius nach Tallinn zurück. In Riga habe ich das Foto vom Treppenhaus geschossen.
Viel Spaß damit Gabi
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Hallo Gabi, erstmal danke für die Anmerkung. Ja, es ist so, in Chemnitz hat sich die letzten Jahre viel getan. Aber immernoch muß man die Locations kennen, um das Gute zu finden. Grüße Volker
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