Ein Museum für abstrakte Kunst und ein Gebäude, das diesem Anspruch alle Ehre macht. Dominant und doch zurückhaltend, der Bau nimmt nicht die historische Architektur der Umgebung auf und fügt sich trotzdem nahtlos ins Stadtensemble ein.

Dass im beschaulich wirkenden Wiesbaden so ein dominanter und moderner Neubau überhaupt entstehen konnte, ist schon eine bemerkenswerte Ausnahme. Schließlich ist die Stadt geprägt von Gründerzeit-Architektur und Jugendstil. Da bedurfte es politisch und auch architektonisch einiges an Fingerspitzengefühl. Doch es hat geklappt. Am 23. Juni 2024 war Eröffnung des Museums Reinhard Ernst.
Der erfolgreiche Industrielle Reinhard Ernst und seine Frau Sonja haben sich sehr früh der abstrakten, nicht figurativen Kunst verschrieben. Als der Platz im eigenen Wohnhaus zu klein wurde, um die zahlreicher werdenden, großformatigen Bilder zu hängen, wanderten diese ins Lager. Das war den Kunstliebhabern auch nicht recht, die Sammlung sollte zu sehen sein, möglichst öffentlich.
Die Stadt Wiesbaden versuchte bereits seit längerem, eine zentrale Baulücke zu schließen. Direkt neben dem historischen Gebäude des Museums Wiesbaden scheiterte die Stadt zweimal mit dem Versuch, einen Neubau für das Stadtmuseum zu errichten. Es ist eine prominente Adresse, Wilhelmstraße 1, im Volksmund schlicht Rue 1 genannt.

Mit einem der ersten Verfahren der Bürgerbeteiligung gelang es, Akzeptanz für den Bau eines Privatmuseums zu erreichen. Die Stadt stellte das Grundstück zur Verfügung und die Stiftung von Sonja und Reinhard Ernst finanzierte das Gebäude und übernimmt die Kosten für den Betrieb des Museums. Architektonisch war es nicht einfach, topmodern sollte der Bau werden und trotzdem das Stadtbild in der Wilhelmstraße nicht sprengen. Es war ein Glücksumstand, dass der Bauherr mit dem japanischen Architekten Fumihiko Maki befreundet war. Maki hat bereits mehrere spektakuläre Museumsbauten entworfen und war dafür mehrfach ausgezeichnet worden. Für Wiesbaden entwarf er einen weißen, kubischen Bau, der aus vier verbundenen Würfeln zu bestehen scheint. Wie frei schwebend erheben sich diese Kuben über dem zurückgesetzten vollverglasten Erdgeschoss. Die Gesamthöhe von 23 Metern fügt sich in die Straßenfront ein, in den Glasscheiben spiegelt sich die umgebende Architektur und die Baumreihe verbindet das Haus mit der Straße.


Innen gruppieren sich in den zwei Obergeschossen große und hohe Ausstellungsräume um einen hellen Lichthof. Die Geometrie der Räume ist schnörkellos kubisch und nimmt sich für die Kunst komplett zurück. Ein idealer Rahmen für die Kunstwerke, die raumgreifend die Szenerie beherrschen. Ein Besuch lohnt sich.

Fumihiko Maki (1928-2024) ist ein mehrfach preisgekrönter japanischer Architekt. Er errichtete zahlreiche spektakuläre Bauten weltweit, unter anderem das Four World Trade Center am Ground Zero in New York. Mit dem Bauherrn des Museums Reinhard Ernst verband ihn eine jahrelange Freundschaft. Das Museum in Wiesbaden sollte sein letztes größeres Projekt werden. Die Fertigstellung im Juni 2024 erlebte er leider nicht mehr.
Literatur:
/1/ http://www.museum-reinhard-ernst.de
/2/ https://de.wikipedia.org/wiki/Museum_Reinhard_Ernst
/3/ https://de.wikipedia.org/wiki/Fumihiko_Maki
/4/ Das neue Museum für abstrakte Kunst, Hrsg.: Landeshauptstadt Wiesbaden, 2024
/5/ Museum Reinhard Ernst, Wiesbaden und sein spektakuläres Museum für abstrakte Kunst, Hrsg. Museum Reinhard Ernst, Weltkunst Agentur, Berlin 2024
Die Webseiten wurden am 21.07.2024 abgerufen.
Das Gebäude steht in der Wilhelmstraße 1 in Wiesbaden.
Download der Printversion: 197_Museum_Reinhard_Ernst_K99-2024